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Die klugen Wellenreiter

Printausgabe | September 2020
Die Corona-Krise ist längst nicht ausgestanden, weshalb Anleger wohl mit weiteren Kursschwankungen rechnen müssen. Der Blick auf Lösungen, mit denen sich ein solches Umfeld möglichst solide meistern lässt, kann sich deshalb lohnen. FONDS exklusiv hat sich drei interessante Strategien angesehen.
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Angesichts der weltweit steigenden Zahlen an Corona-Fällen wird schnell klar: Die Krise ist längst nicht überstanden. Dieser Umstand geht trotz Börsenhausse seit März auch an den Börsen nicht spurlos vorbei. Anleger müssen wohl weiterhin mit größeren Kursschwankungen rechnen. Umso mehr lohnt der Blick auf Anlagelösungen für turbulente Zeiten. FONDS exklusiv hat sich drei Ansätze angesehen, zu denen ausgewogene Multi-Asset-Fonds, aber auch Wandelanleihen sowie Long-Short-Strategien zählen.

Geschickte Asset-Aufteilung

Grundsätzlich wird bei allen Multi- Asset-Fonds das Vermögen vor allem auf Aktien und Anleihen aufgeteilt. Manche Anbieter mischen Gold und Alternative Investments bei. Das Vermögen breiter aufzustellen kann freilich im aktuellen Umfeld besonders vorteilhaft sein. Denn die Kursschwankungen nehmen nicht nur aufgrund der weiter steigenden Infektionszahlen zu. Zuletzt sorgte der wiederaufflammende US-Handelskrieg mit China für Verunsicherung. Und der Umstand, dass nunmehr auch die US-Notenbank eingestehen musste, dass es ihr vermutlich länger nicht gelingen werden, die Wirtschaft und damit auch die Inflation wieder anzukurbeln. Das ultratiefe Zinsniveau stellt vor allem Bondanleger vor eine wachsende Herausforderung.

Und da gilt es umso mehr, zahlreiche Anlageklassen gut im Auge zu behalten, um rechtzeitig zu reagieren. Einer, der dies erfolgreich tut ist Jan Kvapil, Portfoliomanager Lifecycle Solutions & Sustainable Multi Asset, bei dem niederländischen Vermögensverwalter NNIP. Er mahnt die Bedeutung einer vernünftigen Streuung nicht zu unterschätzen: „Die Aufteilung auf Aktien, Anleihen, aber auch auf andere Assets, trägt zu mehr als 80 Prozent des Gesamtertrags eines Portfolios bei“.

Kvapil meint, ein reines Aktienportfolio müsse deshalb nicht immer die bessere Wahl sein. „Es hat in der Vergangenheit einige Phasen gegeben, in denen Bonds eine bessere Wertentwicklung zurücklegten als Aktien.“ 2011, inmitten der griechischen Schuldenkrise, legten Euro-Staatsanleihen mit einer Top-Bonität um rund 5,5 Prozent zu, während globale Aktien das Jahr mit einem Minus beendeten (siehe Tabelle unten).

Risikostufen beachten

Dennoch gibt es einige Feinheiten bei dieser Produktgruppe, die Anleger kennen sollten. Kvapil verweist etwa auf drei unterschiedliche Einstufungen, die es grundsätzlich bei Multi-Asset-Produkten gibt. Erstens „defensiv“, bei der die Anleihequote stets besonders hoch ist, zweitens „ausgewogen“ (oder balanced). Hier wird meist auf ein relativ ausgewogenes Verhältnis geachtet, außer in Extremsituationen, in denen der Fondsmanager zum Beispiel mit schweren Rücksetzern bei den Aktien rechnet. Und drittens die offensive Variante, bei der wiederum die Aktienquote am höchsten sein kann. Kvapil meint, Anleger sollten bei der offensiven Variante deshalb auch den längsten Anlagehorizont haben. So können Anleger zwischenzeitliche Schwankungen bei Aktien durchtauchen.

Damit bildet die ausgewogene Variante so etwas wie die goldene Mitte, die sich im diesjährigen turbulenten Umfeld bislang im Übrigen am besten schlagen konnte. Überhaupt sieht Phil Gronniger, Client Portfoliomanager für Rentenstrategien bei Janus Henderson Investors, einige Vorteile in der ausgewogenen Variante und verweist auf den Janus Henderson Capital Funds plc – Balanced Fund (IE0009514989). Er sagt, „dieser stellt ein Kernportfolio aus einer Hand dar, das die Flexibilität bietet, sich in unsicheren und volatilen Märkten zu bewegen“. Ziel sei es, sich dann defensiv zu positionieren, ehe die Marktvolatilität steigt. „Wenn wir hingegen von einem Bullenmarkt bei Aktien ausgehen, reduzieren wir die Rentenallokation“.

Der Spielraum, den Fondsmanager bei den jeweiligen Quoten haben, ist je nach Anbieter ein wenig unterschiedlich ausgeprägt. Beim Balanced-Fonds von Janus etwa kann der Aktienanteil zwischen 35 und 65 Prozent schwanken. Die festverzinslichen Komponenten können sich jeweils im umgekehrten Verhältnis im selben Korridor bewegen. Im langfristigen Durchschnitt beträgt die Aktienquote 58 Prozent und die Anleihequote 42 Prozent im Fonds.

Ausgewogenes Risiko-Rendite-Verhältnis

Dass sich solch eine Strategie bislang bewährt hat, verdeutlicht die historische Entwicklung. Gronninger betont, der Balanced-Fonds habe in den vergangenen Jahren ein Rendite-Risiko-Profil erzielt, das ähnliche Renditen wie der S&P 500 mit rund der Hälfte des Risikos – gemessen an der Standardabweichung – liefere. Auch ein Vergleich mit regional gestreuten Indizes, wie etwa dem MSCI World Total Return, verdeutlichen die Vorteile einer Streuung, wie die Grafik „Goldene Mitte“ zeigt.

Dabei konnte der Janus-Fonds allein in den vergangenen zehn Jahren um jährlich knapp sieben Prozent auf Eurobasis zulegen. Ähnlich erfolgreich ist auch der NN (L) Patrimonial Balanced (LU0119195963) auf zehn Jahre. Dieser hatte zuletzt die größten Fondspositionen in globale Qualitätsaktien sowie in Anleihen aus der Eurozone investiert. Einfach ist die aktuelle Anleihenselektion angesichts des Zinstiefs freilich nicht.

Dazu macht man sich auch bei der Kepler Fonds KAG reichlich Gedanken. Durch die völlig veränderte Zinslandschaft hat sich die Risikobetrachtung im Anleiheteil verändert, gibt Kurt Eichhorn, Fondsmanager des Rententeils des Kepler Vorsorge Mixfonds (AT0000722640), zu bedenken. Er sagt, heute komme es in Mischfonds risikotechnisch nicht mehr nur auf den Aktienanteil an, sondern auch darauf, in welche Anleihen mit welchem Risiko investiert werde.

Freilich, klassische Staatsanleihen haben dennoch stets einen fixen Platz als solider Anker, wie auch im Kepler Vorsorge Mixfonds. Zusätzlich setzt Eichhorn auf inflationsgeschützte Anleihen. Doch nicht nur. Chancen nutzt der erfahrene Profi auch in der Ferne bei Anleihen aus den Schwellenländern so-
wie bei Bankanleihen. Er meint, „unser Ansatz ist betont mittel- bis langfristig ausgerichtet. Kurzfristige Nachteile werden in Kauf genommen. Wir legen den Fokus auf effizientes Abgreifen von Risikoprämien für Zinsänderungs- und Kreditrisiken und lukrieren Prämien aus der Beimischung von kleineren Emissionen mit interessanten Zinsaufschlägen“. Die unterschiedlichen Chancen-Risiko-Profile verdeutlicht auch die Grafik „Stufen des Ertrags“.

Wandelanleihen eröffnen Doppelte Chancen

Dass zahlreiche Chancen genutzt werden, ist auch gut so, wenn man sich nicht nur mit Negativrenditen bei sicheren Eurostaatsanleihen abgeben möchte. Doch es gibt noch eine Bondklasse, die ebenso interessante Möglichkeiten bietet. Und oftmals aufgrund besonderer Eigenschaften als eigene Anlageklasse gehandelt wird.

Gemeint sind Wandelanleihen. Sie sind ebenfalls mit einem fixen Kupon ausgestattet, der aber geringer ist als bei vergleichbaren „normalen“ Anleihen eines jeweiligen Emittenten. Dafür sind die Papiere zusätzlich mit einer Kaufoption ausgestattet, erklärt David Clott, Senior Portfolio Manager des Aviva Investors – Global Convertibles Fund (LU0274938744). Die Kaufoption berechtigt Anleger die Wandelanleihe während der Laufzeit in Aktien des Emittenten – zu einem fixen Wandlungskurs – zu wandeln. Je weiter der Aktienkurs über diesen Wandlungskurs steigt, desto wertvoller wird die Kaufoption und somit auch die Wandelanleihe insgesamt.

Sollte man sich dann entscheiden, von der Kaufoption Gebrauch zu machen, kommt man beim Wandeln der Anleihe günstiger an die Aktien heran als mit einem Direktkauf an der Börse. Oft konvertieren die Fondsmanager als Anleihemanager aber nicht, sondern verkaufen die Anleihe lieber mit einem Gewinn und halten Ausschau nach neuen Gelegenheiten.

Doch was, wenn die Aktienmärkte wieder abstürzen? Falls die Märkte eine längere Zeit korrigieren, sinkt der Kurs der Wandelanleihe nicht ganz so kräftig wie jener der Aktie. Und das aus gutem Grund. Denn schlimmstenfalls wird die Kaufoption wertlos. Anleger kassieren aber zumindest noch den Kupon und erhalten zu Laufzeitende ihr Kapital aus der Wandelanleihe zurück. Deshalb gilt meist folgende Faustregel: Grundsätzlich machen Wandelanleihen gut zwei Drittel eines Aufschwungs an den Aktienmärkten mit, büßen dafür aber meist nur rund die Hälfte der Kursverluste ein, zeigt Aviva-Experte Clott auf. Und damit ist auch die Korrelation von Wandelanleihen zu globalen Aktien sogar höher als zu anderen Bondklassen, wie die Grafik „Gleichklang“ zeigt.

Zahlreiche Vorteile für Emittenten

Für Anleger liegen die Vorteile damit auf der Hand. Doch was haben Emittenten für Beweggründe, ein solches Produkt auf den Markt zu bringen? Clott liefert darauf eine Antwort: Grundsätzlich erfolge jede Bond- emission meist sehr rasch, Emittenten müssten nicht lange auf das Kapital warten. Zudem sind die Zinszahlungen derzeit besonders günstig. Sollte der Aktienkurs zudem steigen, sodass viele Anleger darin wandeln, muss das Unternehmen für die Tilgung der Wandelanleihe außerdem weniger Geld aufwenden und hat mehr Geld etwa für weiteres Wachstum übrig.

Somit bleibt noch die Frage, wie der Markt grundsätzlich aussieht. Dieser ist vor allem von Emissionen aus Wachstumssektoren wie die IT- und Gesundheitsbranche geprägt, aber auch den Bereich des diskretionären Konsums, führt Alan Muschott, Fondsmanager des Franklin Global Convertible Securities Fund (LU0727122854), an. „Und das sind Sektoren, in denen wir noch kräftiges Wachstum in den kommenden Jahren erwarten“, gefällt Muschott die Entwicklung, von der sein Fonds schon jetzt kräftig profitiert. Immerhin liegt das Fünfjahresplus bei mehr als elf Prozent p. a. auf Euro-basis.

Auch an Liquidität mangelt es nicht. Allein im ersten Halbjahr 2020 erreichte das weltweite Emissionsvolumen mit mehr als 90 Milliarden Dollar ein Rekordhoch, so viele Wandelanleihen wurden noch nie in einem Halbjahr begeben. Mehr als die Hälfte davon entfiel auf US-Emittenten, der Rest teilte sich beinahe gleichmäßig auf Europa und Asien auf.

Doch damit ist noch nicht Schluss. Eine weitere Möglichkeit, Turbulenzen ein wenig zu glätten, können Strategien bieten, die auf fallende und steigende Kurse etwa bei Aktien setzen. Im Fachjargon ist die Rede von Long-Short-Equities. Dies kann zum Beispiel auf globaler Ebene erfolgen, wie es beispielsweise der Schroder GAIA Egerton Equity (LU0463469048) erfolgreich macht. Hier liegt das Zehnjahresplus bei gut sieben Prozent p. a. auf Eurobasis. Das Portfolio kann sich aber auch regional beschränken, wie etwa der Carmignac Long-Short European Equities Fund (FR0010149179), bei dem die jährliche Wertentwicklung zuletzt gut 4,3 Prozent p. a. über zehn Jahre hinweg erreichte.

HILFREICHE SHORT-POSITIONEN

Das zugrundeliegende Prinzip ist simpel: „Wir investieren in Aktien, bei denen wir eine Outperformance gegenüber dem Markt erwarten und setzen auf fallende Kurse bei jenen Titeln, die eine schlechtere Wertentwicklung aufweisen dürften“, erklärt der Carmignac-Fondsmanager Malte Heininger. Freilich, dazu wird auf eine intensive Aktienanalyse zurückgegriffen. Heininger sagt, damit stünde Anlegern ein breiteres Investmentuniversum zu Verfügung. Das Portfolio sei zudem breiter diversifiziert. „Und reagiert weniger sensibel auf Marktbewegungen“, fügt der Carmignac-Experte hinzu. Sollte dann auch noch der Markt ins Minus drehen, bietet die Short-Seite einen guten Schutz. Heininger verweist dazu auf die Geschehnisse im März, die beispiellose Chancen boten, wie er meint: „Wir nahmen nach dem Crash bei rund die Hälfte unserer Short-Positionen Gewinne mit“.

Und weil die Krise noch länger anhalten dürfte, werden wohl immer mehr Bilanzen genauer unter die Lupe genommen und Titel, bei denen das Geschäftsmodell auf wenig soliden Beinen steht, nicht mehr blindlings von der Hausse mitgetragen werden. „Unsere Strategie gewinnt in diesem Umfeld noch mehr an Validität“, konstatiert Heininger.

Der erfahrene Experte erklärt auch, was ihn ausgerechnet an Europa reizt, wenngleich sich das Portfolio nicht ausschließlich auf die Region beschränkt: „Dort gibt es jede Menge verborgene Perlen. Denn aufgrund der zahlreichen negativen Schlagzeilen meiden viele Anleger eher die Region“. Auch die Vielfalt innerhalb einzelner Subsektoren sei relativ breit gefasst. Das erhöht die Chancen, auf Unternehmen zu stoßen, die innerhalb ihrer Branche eine schwache Wertentwicklung aufweisen dürften und somit eine „Short“-Gelegenheit bieten.

Energiewandel bietet Chancen

Doch der Fokus muss nicht nur regional sein. Er kann sich auch auf einzelne Themen beschränken. Diesen Ansatz verfolgt der Environmental Absolute Return Thematic Fund (LU0823414635) der BNP Paribas Asset Management, kurz EARTH Fund. Grundsätzlich wird darin auf jene Unternehmen gesetzt, die anhand ihrer Geschäftsmodelle am Energiewandel mitwirken. Zugleich wird auf fallende Kurse bei jenen Aktien gesetzt, bei denen die Konzerne keine solche Maßnahmen ergreifen. Und solche Titel deshalb langfristig Gefahr laufen, ein sprichwörtliches Auslaufmodell zu werden.

So könne man zum Beispiel bei einer Stahlaktie „long“ gehen, die auf die Wiederverwertung von Stahl und auf einen umweltfreundlicheren Energiemix setze, zeigt Ko-Fondsmanager Ulrik Fugmann auf. Zugleich könne man Stahlaktien „shorten“, bei denen die Unternehmen keine umweltfreundlichen Maßnahmen setzten, verdeutlicht Fugmann die Strategie.

Rohstoffderivate mit Tücken

Und selbst der Rohstoffsektor bietet interessante Chancen im Rahmen dieser Strategie, wie der Blick auf den First Private Systematic Commodity (DE000A0Q95D0) verdeutlicht. Der Fonds investiert über Long- und Short-Positionen in 14 Rohstoffe aus den Segmenten Energie, Basismetalle und Edelmetalle, erklärt Fondsmanager Christian Schuster. Agrarrohstoffe und Lebendvieh sind ausgeschlossen. Wichtige Kriterien für die Selektion sind unter anderem saisonale Muster, oder etwa das Preismomentum. Es spielt aber noch ein weiterer Faktor mit, wozu man den Markt ein wenig besser verstehen muss.

Schließlich investieren Finanzinvestoren nicht direkt in Rohstoffe – somit zum aktuellen Kassamarkt. Ansonsten würden sie jede Menge Metalle, Öl und Co. geliefert bekommen. Stattdessen setzen sie auf die künftige Preisentwicklung, und zwar anhand von Derivaten, sogenannte Futures. Die Future-Preise können allerdings vom Kassamarkt ein gutes Stück abweichen, etwa weil Marktteilnehmer zum Beispiel mit einer größeren oder geringeren Nachfrage in naher Zukunft rechnen. Auch die Lagerkosten spielen bei der Entwicklung der Future-Preise eine Rolle.

Liegen die Future-Preise über dem Kassakurs, ist der Abschluss eines solchen Derivats teurer als der direkte Kauf des Rohstoffes zum Kassakurs. In so einem Zustand sind die Future-Preise im sogenannten „Contango“. Liegen die Future-Preise hingegen unter dem aktuellen Kassakurs, ist der Future-Markt in „Backwardation“. Auch diese Differenzen zwischen Future-Preisen und dem Kassakurs lassen sich mit Long-Short-Strategien geschickt ausnutzen, wie es Schuster zum Beispiel auf dem Ölmarkt macht.

Freilich, auch wenn all die Strategien interessante Möglichkeiten bieten, womöglich ruhiger durch turbulente Zeiten zu navigieren, können auch sie Verluste erleiden. Das sollten Anleger beachten.