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Worauf Anleger achten müssen

September 2023
Jan Viebig von ODDO BHF analysiert das aktuelle Marktumfeld und räumt dabei bonitätsstarken Staatsanleihen gute Chancen ein.
ODDO BHF
Jan Viebig, ODDO BHF

ODDO BHF zufolge haben sich aus Anlegersicht die Themen seit Beginn des Sommers kaum geändert: die weitere Entwicklung von Inflation und Geldpolitik, die Bedeutung von KI und die Konjunkturschwäche besonders in Europa und China. Die Privatbank empfiehlt mit Blick auf die nächsten Monate, Anleihen generell den Vorzug gegenüber Aktien zu geben.

Bei historisch hohen Realzinsen am langen Ende und einer Verlangsamung des nominalen Wachstums sei das Ende des Zinserhöhungszyklus in Sicht, meint Jan Viebig, die Chef-Anlagestratege von ODDO BHF, in seinem Quartalsausblick. „Das sollte bonitätsstarken Staatsanleihen Rückenwind verleihen, die in der Regel vor der letzten Zinserhöhung in einem Zyklus ihren Höhepunkt erreichen. Es gibt also Potential für eine Kursrally, wenn die Renditen zu sinken beginnen.“

Bei High-Yield-Bonds hätten sich die Spreads zwar schon eingeengt, seien aber noch weit von den historischen Tiefständen im Jahr 2007 entfernt. „Bei von Moodys erwarteten Ausfallraten von 4,3 Prozent für die nächsten zwölf Monate und den im Durchschnitt höheren Ratings des High-Yield-Markts winken risikoadjustiert immer noch attraktive Renditen, insbesondere bei Kurzläufern. Ein attraktiver Carry kann ausgleichen, dass die Spreads sich nicht mehr weiter einengen dürften“, heißt es von ODDO BHF. Kurzlaufende Hochzinsanleihen gelten daher aktuell als Favorit. Bei Investment-Grade-Anleihen böten die gestiegenen Renditen weiterhin ein attraktives Risiko-Rendite-Profil bei vergleichsweise geringem Risiko.

AKTIEN: SELEKTIVES VORGEHEN

Aufgrund der aktuellen Bewertungskennzahlen sieht ODDO BHF bei Aktien dagegen kurz- bis mittelfristig wenig Kursfantasie und empfiehlt angesichts sinkender Gewinnmargen der Unternehmen und der in Europa und USA sich verstärkenden konjunkturellen Abwärtsrisiken, Aktienengagements nur selektiv einzugehen. Jedoch: „Trotz kurzfristig möglicher Rücksetzer bleibt KI auf lange Sicht ein Kernthema, da die Durchdringung der Unternehmenswelt mit produktivitätssteigernden Anwendungen noch in einem sehr frühen Stadium ist“, so Jan Viebig. Auch der Luxussektor biete angesichts der Preissetzungsmacht großer Marken und hoher Eintrittsbarrieren Perspektiven für Qualitätsinvestoren, sodass man hier schon eher von einem Anlagethema als von einem Sektor sprechen könne.

Angesichts der anhaltenden Konjunkturschwäche in Europa empfiehlt sich ODDO BHF zufolge die Rotation in defensive Sektoren wie das Gesundheitswesen und die Meidung hochzyklischer Sektoren. Auch bei japanischen Aktien machen die Strategen Opportunitäten aus: „Japanische Unternehmen profitieren in diesem Jahr von der Schwäche des Yens, zurückzuführen auf die gegenüber anderen Wirtschaftsräumen niedrigeren Zinsen. Dies könnte eine positive Konjunkturdynamik auslösen und das Land für Finanzinvestoren wieder attraktiv machen.“ Ebenso finden Aktien aus Schwellenländern das Interesse der Strategen. „Während China erst seine durch die Immobilienkrise mitausgelöste wirtschaftliche Schwäche überwinden muss, bieten andere Schwellenmarktaktien schon heute interessante Abschläge.“

PRIVATE ASSETS

Private Assets verarbeiten mit Verzögerung den rasanten Anstieg der Zinsen. Daher müssten die Bewertungskennzahlen zum Teil noch an die Realität angepasst werden. Die Renditeunterschiede zwischen verschiedenen Strategien dürften sich in den nächsten Jahren verringern. Mit Ausnahme des vom höheren Zinsniveau profitierenden Private-Debt-Bereichs rechnen die Strategen mit sinkenden Renditen. Da viele Investoren im aktuellen Kapitalmarktumfeld ihre Liquidität erhöhen müssten, eröffne neben Private Debt der Sekundärmarkt derzeit interessante Opportunitäten.

Für eine Empfehlung, wieder mehr Risiken einzugehen, müsste ODDO BHF zufolge der Inflationshöhepunkt erreicht und das Ende der restriktiven Geldpolitik absehbar sein. Bislang gebe es wenig Indizien für eine Verfestigung der Inflation durch Lohnsteigerungen, das sei ein positives Zeichen. Ein weiterer Katalysator wird das Erreichen von Tiefpunkten bei zentralen Konjunkturindikatoren und den Gewinnrevisionen sein. „Ob die sanfte Landung gelingt oder wir einen härteren Aufprall durchstehen müssen – wer in Qualität investiert, kann auch turbulentere Phasen durchstehen“, so das Fazit von Viebig.