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Was kommt nach der Schonfrist?

Mai 2025

Die Märkte haben sich erholt, doch der Handelskrieg ist noch nicht vorbei, mahnt Anthony Willis, Senior Economist bei Columbia Threadneedle Investments.

Columbia Threadneedle Investments
Anthony Willis, Columbia Threadneedle Investments

Die Kursverluste des „Liberation Day“ vom 2. April, als US-Präsident Donald Trump neue Zölle verkündete, sind wieder aufgeholt. Grund dafür sind die überraschend positiven Gespräche zwischen den USA und China, konstatiert Anthony Willis, Senior Economist bei Columbia Threadneedle Investments, in seinem Kommentar. Zu Beginn der Woche fehlten dem S&P500-Index nur noch etwa drei Prozent zu seinem Allzeithoch. Der US-Dollar ist um drei Prozent gefallen, und die Renditen der US-Staatsanleihen sind sprunghaft angestiegen. Und auch die Zinserwartungen haben eine Achterbahnfahrt hinter sich: Nach der Ankündigung der Zölle rechneten die Märkte mit fünf Zinssenkungen für 2025, jetzt sind es nur noch zwei.

SCHONFRIST LÄUFT AB

Die Gnadenfrist von 90 Tagen, bevor die gegenseitigen Zölle theoretisch wieder in Kraft treten, ist in gut sieben Wochen allerdings vorbei. Vor Juli dürften es auch Ankündigungen zu sektoralen Zöllen wie für Halbleiter und Pharmazeutika geben – ähnlich wie die, die wir bereits für die Autoindustrie gesehen haben. Die Finanzmärkte sind jedoch positiv gestimmt. Es herrscht die Meinung vor, dass die Zölle weiter sinken. Gleichzeitig lässt die politische Unsicherheit nach. Dies lässt den Konsens zu, dass die Situation allmählich deeskaliert.

Tatsächlich scheinen die Vereinbarungen zwischen den USA und China sowie dem Vereinigten Königreich auf den ersten Blick ein gutes Ergebnis zu sein. Real betrachtet sieht die Position aktuell jedoch wesentlich schlechter aus als zuvor. Die Ober- und Untergrenzen für die Zölle werden immer deutlicher: Das Beste, was derzeit realistisch erwartet werden kann, ist ein Basiszollsatz von zehn Prozent. Hinzu kommen weitere Zölle, womit die Abgaben insgesamt ein Niveau zwischen 14 und 17 Prozent erreichen – weit mehr als alles, was wir seit den 1930er Jahren erlebt haben und ein gewaltiger Sprung von den 2,5 Prozent des vergangenen Jahres. Auch wenn der Handelskrieg bereits deeskaliert, werden einige Länder und Unternehmen die Auswirkungen spüren. Es wird für die USA unmöglich sein, innerhalb des 90-Tage-Fensters mit allen Handelspartnern zu verhandeln.

Für uns ergibt sich daraus eine gemäßigtere Sicht auf die Vermögensallokation. Jetzt, da sich die Märkte stark erholt haben – trotz der anhaltenden Unsicherheit. Wir sind allerdings nicht bereit, das Risiko bei unserer bereits leicht positiven Einschätzung von Aktien und unserer leichten Tendenz in Richtung USA und Europa zu erhöhen. Zölle und die anhaltende Unsicherheit werden sich nach wie vor negativ auf die Wirtschaftsaussichten auswirken, auch wenn die Situation weniger dramatisch ist, als noch vor einigen Wochen befürchtet.

LANGFRISTIGE UNSICHERHEITEN

Die extrem hohen Zölle zwischen China und den USA, sowie die entsprechend einschlägigen Reaktionen des Marktes, sorgen für reichlich Verwirrungen bei den Wirtschaftsdaten. Diese werden, auch aufgrund der undurchsichtigen politischen Situation, in der nächsten Zeit nur wenig aussagekräftig sein. Der Markt muss sich also noch ein wenig gedulden, bis verwertbare Daten vorliegen und eine belastbare Analyse möglich ist. Es gibt noch viel zu tun, wenn wir die wirtschaftlichen Schäden so gut wie möglich begrenzen wollen. Schnelles Handeln ist dabei ausschlaggebend. Das Konsumverhalten von Unternehmen und Verbrauchern ist stark abhängig von deren Vertrauen – um dieses wiederzuerlangen, wird noch einige Zeit vergehen, besonders in den USA.