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Was jetzt für Indien spricht

Mai 2024
Weshalb das Wachstum nicht wesentlich vom Wahlausgang beeinflusst werden wird, erklärt Vinay Agarwal von FSSA Investment Managers.
FSSA IM
Vinay Agarwal, FSSA IM

Am 19. April haben in Indien die über sechs Wochen andauernden Parlamentswahlen begonnen. „Das Wachstum Indiens wird nicht wesentlich davon beeinflusst, welche Partei an die Macht kommt“, schreibt Portfoliomanager Vinay Agarwal von FSSA Investment Managers in einem aktuellen Marktkommentar. In den letzten zehn Jahren gab es Reformen wie die Waren- und Dienstleistungssteuer, die Digitalisierung verschiedener staatlicher Programme und sektorspezifische Reformen wie den Real Estate Regulation Act. „In den letzten 25 Jahren gab es in Indien mehrere Zentralregierungen – einige mit rechter und einige mit starker Beteiligung linker Parteien –, aber das hat die Kontinuität der Politik nicht beeinträchtigt. Unabhängig vom Ausgang der Wahlen erwarten wir, dass die Reformen des letzten Jahrzehnts in den kommenden Jahren ein Umfeld für ein starkes Wachstum der indischen Unternehmen schaffen werden“, so Agarwal.

„Aktuell wird das Wachstum vor allem durch Infrastrukturprojekte angetrieben, aber auch durch den Ausbau des Internets. Inzwischen ist praktisch überall und jederzeit Internet-Datenzugriff gewährleistet, und das hat zu einem enormen Produktivitätsschub geführt“, schreibt der Indienexperte der zu First Sentier Investors Group gehörenden FSSA Investment Managers. Aber die nächste Regierung habe durchaus einige Hausaufgaben. Dringend notwendig wären Reformen im Bildungssystem. „Wir brauchen mehr und bessere Schulen und Lehrer, vor allem auch in den kleineren Städten und Gemeinden.“ Außerdem sei Indiens Wirtschaftsstruktur derzeit sehr stark auf den Dienstleistungssektor konzentriert. „Wir brauchen aber mehr Produktion, denn dadurch können Millionen neuer Arbeitsplätze geschaffen werden“, so Agarwal. Auch könne sich die hohe Umweltverschmutzung ohne ein Gegensteuern zu einem Wachstumshemmnis entwickeln.

Die zuletzt deutlich gestiegenen Kursniveaus in Indien sollten langfristig orientierte Investoren nicht abschrecken. „Die Bewertungen am indischen Aktienmarkt waren immer höher als beispielsweise in China. Denn Regulierung und Unternehmensführung sind deutlich besser.“ Die Eigenkapitalrenditen von Unternehmen Indien sind höher. Aktuell liegen die Bewertungen indischer Aktien im historischen Vergleich recht hoch. „Vielleicht wird es daher auch mal wieder einen Rückschlag geben, wenn sich spekulative Anleger zurückziehen. Langfristig wird die indische Wirtschaft weiter rasant wachsen, und damit auch die Unternehmensgewinne“, ist Vinay Agarwal überzeugt. „Indien wird der große Gewinner der kommenden Jahre sein. An welchem Punkt genau man dabei einsteigt, ist da nachrangig“, betont der Fondsmanager von FSSA.

NEUE KONSUMGEWOHNHEITEN

Nachdem in den vergangenen Jahrzehnten die Hersteller von Gütern des täglichen Bedarfs wie Seife oder Shampoo profitierten, stiegen jetzt viele Konsumenten auf Premium-Varianten um. „Daher werden die Unternehmen, die sich mit den Bedürfnissen der Verbraucher weiterentwickeln und eine umfassende Produktpalette anbieten können profitieren“, so Agarwal. Gleichzeitig steige nun aber auch die Nachfrage nach langlebigen Gütern. „Das Internet spielt eine Rolle dabei, dass neue Kategorien entstehen und wachsen. Denn selbst in ländlichen Gegenden sehen Menschen über ihre Smartphones, was die Menschen in Großstädten wie Mumbai haben.“ Das dürfte die Nachfrage nach Elektrogeräten, Einrichtung und Autos ankurbeln.

„Da inzwischen fast alle Inder Zugang zu einfachen Finanzdienstleistungen haben, können sie nun auch auf Kredit kaufen. Mit steigendem Pro-Kopf-Einkommen fragen Inder auch komplexere Produkte wie Versicherungsschutz und Vermögensverwaltung. Die Finanz- und die Versicherungsbranche werden zu den künftigen Gewinnern gehören“, führt der Fondsmanager des FSSA Indian Subcontinent Fund aus. Im Bereich Infrastruktur bevorzugt Agarwal eher die Zulieferer, also Hersteller von Zement oder Farbe, Lastwagen oder Bauchemieprodukten, gegenüber den Projektgesellschaften, da diese durch ihren hohen Verschuldungsgrad stärker von einem Abschwung getroffen würden. Agarwal geht auch davon aus, dass Indien schon bald langlebige Gebrauchsgüter exportieren könnte, bislang absorbiere die inländische Nachfrage die komplette Produktion.

INDIEN IST NICHT CHINA

„Indien dürfte sehr wahrscheinlich nicht schnell und zweistellig, sondern vielmehr stetig und langfristig wachsen“, ist Agarwal überzeugt. Seiner Ansicht nach sind indische Unternehmen sehr widerstandsfähig, da sie mit verschiedenen Regierungen und makroökonomischen Herausforderungen wie Währungsabwertung, Inflation oder unterschiedlichen Zinsniveaus konfrontiert waren. Vielen Anlegern ist nicht bewusst, dass Indien den ältesten Aktienmarkt Asiens hat und dass viele Unternehmen schon seit Jahrzehnten an der Börse notiert sind. „Kapital war in Indien schon immer knapp. Die Mehrheitseigentümer von Unternehmen sind darauf bedacht, ihr Eigentum zu erhalten, und fokussieren sich daher auf die Erzielung hoher Kapitalrenditen, um ihr Wachstum zu finanzieren. In vielen anderen Märkten finanzieren die Eigentümer das Wachstum gern durch die Ausgabe von neuem Eigenkapital, wodurch die ihre Anteile und die der Minderheitsaktionäre verwässert werden. Dies führt zu hohen Kapitalrenditen und einer geringen Verwässerung bei indischen Unternehmen“, schreibt Agarwal.

Ihm zufolge hat Indien eine einzigartige Investitionskultur: „Das Engagement der Eigentümer und des Top-Managements in Indien und die Bereitschaft, sich mit kritischen Themen wie Nachfolge, Umwelt und Soziales zu befassen, ist viel höher als in den meisten anderen Schwellenländern. Das macht es für uns als Minderheitsaktionäre einfacher, die Übereinstimmung mit unserer Ausrichtung zu bewerten und das langfristige Potenzial der Investition zu verstehen.“