Startseite » Nachhaltigkeit » Warum Engagement allein nicht ausreicht

Warum Engagement allein nicht ausreicht

September 2022
Wie Finanzakteure den gesellschaftlichen Wandel bewirken könnten, erklärt Stuart Forbes, Mitgründer von Rize ETF.
Rize ETF
Stuart Forbes, Rize ETF

Würde man Desinvestitionen dem Engagement vorziehen, ließe sich ein sinnvoller ökologischer und sozialer Wandel um einiges schneller erzielen, so Stuart Forbes, Co-Gründer des thematischen ETF-Emittenten Rize ETF. Für die großen Akteure der Branche erfordere dies jedoch einen Umbruch, den diese oftmals noch scheuen würden.

Immer mehr Fondsmanager verfolgen ESG-Strategien, mit dem Ziel mit den Unternehmen, in die sie investieren, in Kontakt zu treten, um diese dazu zu bringen, ihre Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungspraktiken zu verbessern. Verständlicherweise fühlen sich viele Anleger beruhigt, wenn Anlageexperten diese Rolle übernehmen und mit ihrem Geld versuchen, die Welt zu verbessern.

Aber die harte Realität ist, dass es wahrscheinlich keinen großen Unterschied macht und zu wenig passiert, bevor die katastrophalen Brände, schmelzenden Eiskappen und seltsamen Wetterereignisse gestoppt werden, die die Eskalation der globalen Erwärmung anzeigen.

Zu wenig, zu langsam

Während Engagement, Diskussionen und Druck seitens institutioneller Anleger das Verhalten von Unternehmen im Laufe der Zeit beeinflussen können – vor allem, wenn diejenigen, die sich engagieren, über ein hohes Maß an Wissen über Umwelt- und Sozialfragen verfügen -, könnten Desinvestitionen und öffentliche Anprangerung von schädlichen Unternehmenspraktiken die Situation weitaus effektiver beeinflussen.

Auch als kleinerer Vermögensverwalter versuchen wir Einfluss zu nehmen und trennen uns von Unternehmen, wenn wir nicht mit ihrer Art, Geschäfte zu machen, einverstanden sind. Wir informieren unsere Anleger über diese Entscheidungen und ihre Hintergründe – und sehen bereits einige Ergebnisse dieses Handelns.

Um ein kleines, aber bemerkenswertes Beispiel zu nennen: Vor kurzem haben wir Aktien des dänischen Biowissenschaftsunternehmens Chr. Hansen aus dem unserem ETF zugrunde liegenden Index gestrichen, weil das Unternehmen trotz seines grünen Images nicht transparent in Bezug auf Palmöl war. Ein institutioneller Kunde stellte unser Vorgehen zunächst in Frage, als wir ihm die Gründe dafür erläuterten, konfrontierte er das Unternehmen sofort und forderte es auf, sein Verhalten zu ändern.

Warum Desinvestitionen so schwer zu bewerkstelligen sind

Wenn die drei größten Vermögensverwalter der Welt – BlackRock, Vanguard und Fidelity – ihre Mainstream-/Nachhaltigkeitsportfolios überprüfen und ihre Beteiligungen an Unternehmen wie CocaCola oder McDonalds abstoßen und dabei genau erklären würden, was die Unternehmen tun müssten, um ihre Plätze in den Portfolios zurückzuerhalten, würde dies zweifellos die Aufmerksamkeit der Vorstände auf sich ziehen.

Aber so einfach ist das nicht. Die großen Investmenthäuser sind Teil eines komplexen Geflechts von Finanzorganisationen; ihre Kunden sind riesige Pensionsfonds, Staatsfonds und andere Anlageverwalter. Diese Kunden erwarten, dass ihr Vermögen konservativ über ausgewogene Aktienportfolios, die sich an der Entwicklung ihrer Benchmark-Marktindizes orientieren, verwaltet wird.

Aufgrund solcher Erwartungen sind den Managern dieser Vermögensverwalter weitgehend die Hände gebunden, es sei denn, die Vorstände ihrer institutionellen Kunden sind selbst bereit, im Interesse des Planeten oder der Gesellschaft drastische Maßnahmen zu ergreifen. Wir glauben, dass dies erst dann der Fall sein wird, wenn die Vorstände großer Unternehmen mehr Diversität aufweisen und eine größere Nähe zur breiteren Gemeinschaft außerhalb ihrer Arbeitswelt einnehmen und ihre Unternehmensziele auch darauf abstimmen.

Ein Schritt in eine vielseitigere Richtung würde nicht nur neue, fortschrittliche Perspektiven in die Vorstandsetagen bringen, sondern möglicherweise auch Menschen einbeziehen, die wahrscheinlich viel direkter vom Klimawandel und der gesellschaftlichen Ungleichheit betroffen sind – diejenigen, die in den Überschwemmungsgebieten und nicht in den Penthouse-Suiten leben. Aber es ist ein schmerzhaft langsamer Prozess.

Die Realität des Engagements Hier sind wir also wieder bei Engagement als kleinstem gemeinsamen Nenner.

Es ist nicht schwer zu erkennen, dass die Wirkung von Engagement in der Praxis begrenzt ist. Wir nehmen regelmäßig an Telefonkonferenzen der CDP teil, bei denen Fondsmanager Präsentationen von Unternehmen anhören und am Ende die Möglichkeit haben, sie zu befragen. Bei den letzten beiden Veranstaltungen, an denen ich – für einen großen Rindfleischproduzenten und einen Palmölhersteller – teilgenommen habe, waren vielleicht 50 Manager anwesend, aber nur zwei von uns stellten am Ende eine Frage, darunter auch ich.

Das ist nicht überraschend. Die Mitarbeiter der großen Vermögensverwalter sind es nicht gewohnt, provokante Fragen aus dem Stegreif zu stellen. Sie hören erfahrungsgemäß zu und erstatten Bericht, damit ein Ausschuss eine Unternehmensantwort formulieren kann. Außerdem arbeiten diese Unternehmen in einem wettbewerbsintensiven Umfeld, in dem der Profit an erster Stelle steht und nicht das Wohl der Umwelt.

Infolgedessen ist das „Engagement“, das in der Theorie zwar kooperativ klingt, in der Praxis nur allzu oft eine ziemlich laue Angelegenheit. Trotzdem neigen Vermögensverwalter dazu, jede Gelegenheit zu nutzen, um ihre ESG-Belange bei der Vermarktung an potenzielle Investoren anzupreisen. Kein Wunder, dass Engagement so weithin als lohnender Weg zu besseren Unternehmenspraktiken angesehen wird; in Wahrheit erreicht es jedoch nur sehr wenig, wenn es nicht durch sinnvolle Maßnahmen untermauert wird. Es könnte so viel mehr und so viel schneller erreicht werden, wenn Desinvestitionen ein Kernelement des ESG-Instrumentenkastens eines jeden Vermögensverwalters wären.