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Wann sind Aktien zu teuer?

Januar 2021
Ingrid Szeiler, CIO der Raiffeisen KAG, geht auf die jüngsten Marktentwicklungen ein und zeigt auf, wo sie jetzt noch Potential sieht.
Raiffeisen KAG
Ingrid Szeiler, CIO Raiffeisen KAG

In den vergangenen Wochen gab es aus der Perspektive der Finanzmärkte überwiegend positive Entwicklungen. Angesichts der vielen Kranken und Toten als Folge der Pandemie mag das zynisch klingen. Die Märkte preisen aber nicht das aktuelle Geschehen, sondern die Erwartungen für die Zukunft. Diese wurden durch die Zulassungen der ersten Impfstoffe sowie den Beginn der Impfungen positiv beeinflusst. Auch wenn es dieser Tage angesichts immer längerer Lockdowns schwer vorstellbar ist, wird im Verlauf des zweiten Halbjahres eine Normalisierung des Lebens eintreten. Damit im Einklang wird es eine starke Erholung von Wirtschaft und Unternehmen geben. Und darauf fußt im Wesentlichen die aktuell sehr gute Stimmung, insbesondere an den Aktienmärkten. Dass es in dem einen oder anderen Segment bereits eine Übertreibung gibt, ist zwar richtig, für den breiten Markt teilen wir aber die Zuversicht für das Jahr 2021 in Hinblick auf Aktien.

Oft wird als negatives Argument die teure Bewertung der Aktienmärkte genannt. Dieser Einwand ist zum Teil berechtigt, nämlich bei einigen defensiven Titeln, die am stärksten von den niedrigen Zinsen profitiert haben. Gerade in der aktuellen Phase des Zyklus‘ ist das hohe KGV (Kurs-Gewinn-Verhältnis) für den breiten Markt aber nicht überraschend. Der Quotient Kurs durch Gewinn ist hoch, weil die Kurse schon gestiegen sind, die Gewinne aber noch nicht. In einer späteren Phase des Kapitalmarktzyklus‘ werden die Gewinne stärker steigen als die Kurse, was das KGV wieder senken wird. Später beginnen die Kurse dann den nächsten Abschwung vorweg zu nehmen, normalerweise bevor die Unternehmensgewinne tatsächlich nach unten gehen. In dieser Phase sieht der Markt gemessen am KGV billig aus, was aber nicht bedeutet, dass dies ein guter Kaufzeitpunkt für Aktien ist. Daher: Bewertung ist kein guter Indikator, wenn es um taktische Timing-Entscheidungen für die Aktienmärkte geht.

Staatsanleihen: USA und europäische Peripherie bieten derzeit die größten Chancen

Unsere Einschätzung in Bezug auf das Segment der Staatsanleihen bleibt unverändert. So waren wir bei kerneuropäischen Staatsanleihen, insbesondere deutschen und französischen Papieren, am vorsichtigsten – und bleiben es auch. Staatsanleihen der europäischen Peripherie (Italien und Spanien) sehen wir positiver, ebenso US-Staatsanleihen.

Unternehmensanleihen: Risikoprämien auf Vor-Covid-19-Niveaus (Investmentgrade)

Die Risikoprämien von Investmentgrade-Unternehmensanleihen in Euro befinden sich mittlerweile ziemlich genau auf den niedrigen Vor-Covid-19-Niveaus vom Februar 2020 und haben dort vorerst eine Talsohle gefunden. Wir sind für diese Anleiheklasse – im Vergleich zu kerneuropäischen Staatsanleihen – positiv gestimmt. Auch weil wir eine Seitwärtsentwicklung der Spreads erwarten und moderat höhere risikolose Renditen (Deutschland; Kerneuropa). Zudem ist der Corporate Bond Primärmarkt zu Jahresbeginn in der Regel weit geöffnet und Refinanzierungsrisiken sind gering.

Emerging-Markets-Anleihen anfällig für etwaige Korrektur

Wir halten die risikoreiche Anleiheklasse Emerging-Markets-Anleihen in der aktuell angespannten globalen Covid-19-Krise v.a. aus sentimenttechnischen Gründen anfällig für eine etwaige Korrektur, weshalb wir hier vorerst auch etwas defensiver positioniert sind.

Entwickelte Aktienmärkte: positives Kapitalmarktumfeld bleibt aufrecht

Die internationalen Aktienmärkte konnten in den letzten Wochen weiter zulegen, wobei die Gewinnerliste von zyklischeren Marktsegmenten angeführt wird. Trotz negativer kurzfristiger Nachrichten zum Thema Covid-19 – beispielsweise über weitere Mutationen – stützen die positiven Gewinnrevisionen sowie Aussichten auf die Covid-19-Impfungen. Kurzfristig mahnen verschiedene Stimmungsindikatoren zwar zur Vorsicht (überkaufte Marktsituation), wir erwarten aber auf Sicht der nächsten Monate ein unverändert positives Kapitalmarktumfeld.

Schwellenländer-Aktien: globaler Konjunkturaufschwung sollte unterstützend wirken

Die Aktien der globalen Schwellenländer sind – neben anderen einzelnen Branchen – aus dem turbulenten Jahr 2020 als klare Gewinner hervorgegangen. Dies ist zu einem großen Teil dem asiatischen Raum zu verdanken, der zwar zu Beginn im Zentrum des Corona-Sturms lag, diesen aber global am besten zu managen verstand. Daher war das zweite Halbjahr 2020 von einer erstaunlichen Erholung geprägt. Das ist auch an der Gewinnentwicklung der Unternehmen dieser Region abzulesen. Mit deutlicher Verzögerung folgen nun auch die anderen Emerging-Markets-Regionen. Der erwartete globale Konjunkturaufschwung sollte Schwellenländer-Aktien weiterhin unterstützen.

Expansive Notenbankpolitik unterstützt den Sektor Edelmetalle

Auch die Rohstoffmärkte verzeichneten einen sehr freundlichen Jahresauftakt, nicht jedoch die Edelmetalle. Die unverändert sehr expansiven globalen Notenbanken in Kombination mit deutlich negativen Renditen bei sicheren Staatsanleihen unterstützen den Sektor Edelmetalle.