Startseite » Investmentfonds » Volkswirtschaft » US-Wachstum wird revidiert

US-Wachstum wird revidiert

Oktober 2025

Maik Komoss, Vates Invest, analysiert welche Entwicklungen hinter den jüngsten Zahlen steckten.

Vates Invest
Maik Komoss, Vates Invest

Die Revision der US-Wachstumszahlen für das zweite Quartal 2025 wirft ein differenziertes Licht auf die Widerstandskraft der größten Volkswirtschaft der Welt, betont Maik Komoss, Managing Partner und Portfoliomanager des Vates Aktien USA bei Vates Invest. Während die Schlagzeilen von einer Aufwärtskorrektur des realen Bruttoinlandsprodukts von 3,3 auf 3,8 Prozent (annualisiert) berichten, zeigt eine tiefere Analyse, dass hinter den Zahlen sowohl buchhalterische Sondereffekte als auch echte Konsumstärke stehen. Das Zusammenspiel dieser Faktoren erklärt, warum die finale Zahl zwar beeindruckend wirkt, aber zugleich Fragen über die Nachhaltigkeit des Wachstums aufwirft.

Die markante Wende von einem Rückgang des BIP um 0,6 Prozent im ersten Quartal hin zu einem Wachstum von 3,8 Prozent im zweiten Quartal ist in erster Linie einem massiven Einbruch der Importe geschuldet. Laut den Daten des Bureau of Economic Analysis sanken die realen Waren- und Dienstleistungsimporte im zweiten Quartal 2025 um 29,3 Prozent gegenüber dem Vorquartal. Allein dieser Rückgang lieferte rechnerisch einen Wachstumsbeitrag von ca. +5,1 Prozentpunkten zum BIP. Ohne diesen Effekt wäre das reale Wachstum im zweiten Quartal negativ ausgefallen.

Die Ursache liegt jedoch nicht in einer nachhaltigen Stärkung der Handelsbilanz. Vielmehr war der Rückgang eine direkte Korrektur außergewöhnlicher Vorzieheffekte aus dem ersten Quartal: Damals waren die Importe massiv angestiegen, getrieben von einem taktischen Vorratsaufbau der Unternehmen, die durch die Ankündigung neuer Einfuhrzölle unter Zeitdruck standen.

Um die Dramatik dieser Handelsverschiebung zu verstehen, muss man die Entwicklung im ersten Quartal betrachten:

-Massiver Importanstieg: Die realen Importe stiegen im ersten Quartal um 41,3 Prozent auf annualisierter Basis an, angetrieben durch einen Anstieg von 50,9 Prozent bei Warenimporten.

-Negativer BIP-Beitrag: Dieser Anstieg resultierte in den größten negativen Beitrag der Nettoexporte zum BIP, der in den Aufzeichnungen des BEA verzeichnet wurde.

Hintergrund: Unternehmen eilten, um Waren ins Land zu bringen, bevor neue Einfuhrzölle in Kraft traten. Das BEA passte daher die Schätzungen der privaten Lagerinvestitionen an, um dieser notablen Erhöhung der Importe im ersten Quartal und den folgenden Rückgängen im zweiten Quartal Rechnung zu tragen. Ökonomen interpretierten dies als Vorzieheffekt und Lageraufbau.

IMPORTRÜCKGANG

Der steile Rückgang der Importe im zweiten Quartal war somit die mechanische Gegenbewegung zu dieser künstlichen Spitze im ersten Quartal. Da Importe in der BIP-Berechnung (BIP = Konsum + Investition + Staatsausgaben + Exporte – Importe) subtrahiert werden, führte der starke Rückgang der Importe zu einem signifikanten positiven statistischen Beitrag zum BIP-Wachstum des zweiten Quartals.

Man darf aber darauf hinweisen, dass die Zahlen aus dem ersten und zweiten Quartal aufgrund dieser extremen, politisch getriebenen Schwankungen im Handel kein vollständiges Bild des wahren Zustands der Wirtschaft zeichnen können. Vielmehr verdeutlicht dieser Effekt, wie politische Eingriffe kurzfristig statistische Ausschläge erzeugen können. Erst die Revision der Konsumausgaben nach oben zeigt, dass jenseits dieser buchhalterischen Gegenbewegung eine echte Nachfragebasis existiert.

Der reale Treiber der Revision? Beschleunigung der Konsumausgaben. Während der Rückgang der Importe den statistischen Grundstein für die Wende im zweiten Quartal legte, erklärt er nicht die finale Aufwärtskorrektur von 3,3 auf 3,8 Prozent. Diese Revision resultierte fast ausschließlich aus einer Neubewertung der privaten Konsumausgaben (Personal Consumption Expenditures, sog. PCE), die das Fundament der US-Wirtschaft bilden.

Mit einem Anteil von knapp 70 Prozent an der gesamtwirtschaftlichen Leistung sind sie traditionell der wichtigste Wachstumstreiber. Die Konsumausgaben stiegen im zweiten Quartal mit einer jährlichen Rate von 2,5 Prozent. Dies war eine deutliche Aufwärtskorrektur gegenüber der zuvor geschätzten Rate von 1,6 Prozent in der zweiten Schätzung, wobei die Rate im ersten Quartal 2025 nur 0,6 Prozent betragen hatte. Diese signifikante Beschleunigung der PCE-Rate war der primäre Faktor, der die finale BIP-Zahl um 0,5 Prozentpunkte nach oben verschob.

Besonders bemerkenswert ist die Breite dieser Dynamik. Anders als in vielen früheren Konjunkturzyklen war die Aufwärtskorrektur nicht auf eine einzelne Warengruppe beschränkt, sondern zog sich durch Dienstleistungen und Waren gleichermaßen:

Dienstleistungen: Dieser Sektor, der einen großen Teil der Konsumausgaben ausmacht, legte mit einer annualisierten Rate von 2,6 Prozent besonders stark zu. Dies war mehr als das Doppelte der in der zweiten Schätzung (1,2%) angenommenen Wachstumsrate. Die größten Beiträge zur Aufwärtskorrektur innerhalb der Dienstleistungen kamen von Transportdienstleistungen sowie Finanzdienstleistungen und Versicherungen. Auch das Gesundheitswesen war ein führender Sektor, was auf eine breite und stabile Nachfragebasis im Dienstleistungsbereich hindeutet.

Waren: Auch die Ausgaben für Waren zeigten Zuwächse und wurden in der Revision nach oben korrigiert, obwohl der Gesamtanstieg im Vergleich zur Vorausschätzung leicht nach unten revidiert wurde. Führende Beiträge kamen von Kraftfahrzeugen und Teilen (insbesondere neue leichte Nutzfahrzeuge) und anderen nicht langlebigen Gütern wie pharmazeutischen Produkten.

STARKE BINNENWIRTSCHAFT

Die Stärke der zugrunde liegenden Binnennachfrage wird auch durch die Aufwärtsrevision der Kennzahl „Real Final Sales to Private Domestic Purchasers“ unterstrichen. Diese Messgröße, die volatile Posten wie Exporte und Lagerbestände ausschließt, wurde von 1,9 Prozent in der zweiten Schätzung auf 2,9 Prozent in der finalen Schätzung nach oben korrigiert. Eine solch breite Basis von Konsumausgaben und Investitionen ist ein verlässliches Signal für die zugrunde liegende Stärke der Binnenwirtschaft.

Zudem spiegelt der Konsumanstieg mehr als bloße Statistik: Er zeigt sich auch in realwirtschaftlichen Indikatoren. So stiegen die gesamten Einzelhandelsumsätze im zweiten Quartal 2025 um 3,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Parallel dazu stiegen die gesamten Haushaltsschulden auf 18,39 Billionen US-Dollar, wobei die nicht-hypothekarischen Schulden 4,65 Billionen US-Dollar erreichten – ein Hinweis darauf, dass die Verbraucher trotz steigender Finanzierungskosten weiterhin bereit sind, ihre Nachfrage auch über Kredit auszuweiten.

Das Paradox? Diese Konsumstärke tritt trotz eines schwächelnden Arbeitsmarktes auf. Normalerweise führt ein Rückgang beim Beschäftigungswachstum zeitnah zu geringeren Ausgaben. Daten des Arbeitsministeriums zeigten eine Abwärtskorrektur der Arbeitsplatzschaffung um 911.000 Stellen im vorangegangenen Jahr, und das monatliche Jobwachstum hat sich weiter verlangsamt. Genau diese Unsicherheit macht die Konsumrevision zu einem zweischneidigen Signal: Sie bestätigt die gegenwärtige Stärke, lässt aber Zweifel an ihrer Nachhaltigkeit bestehen.

Die Wachstumszahlen im zweiten Quartals lassen sich nur im Zusammenspiel zweier Mechanismen richtig verstehen: einerseits ein rein statistischer Rebound, andererseits eine reale Konsumstärke. Der Rückgang der Importe um 29,3 Prozent erklärt die spektakuläre Wende von -0,6 Prozent im ersten Quartal auf +3,8 Prozent im zweiten Quartal fast vollständig. Mehr als fünf Prozentpunkte des Wachstums resultierten aus dieser mechanischen Gegenbewegung, ausgelöst durch den Vorzieheffekt von Importen im ersten Quartal. Ohne diesen buchhalterischen Effekt hätte das BIP rein rechnerisch sogar negativ ausgesehen. Doch diese Lesart greift zu kurz, weil die Importspitze selbst ein Sondereffekt war – eine Folge protektionistischer Politik und nicht Ausdruck einer normalen Nachfrageentwicklung.

Die eigentliche Substanz der finalen Zahl zeigt sich erst in der Revision der Konsumausgaben. Die Aufwärtskorrektur von 1,6 auf 2,5 Prozent verschob das Wachstum um 0,5 Prozentpunkte nach oben. Entscheidend ist, dass diese Konsumrevision breit angelegt war: Dienstleistungen, Kraftfahrzeuge, pharmazeutische Produkte – kaum ein wichtiges Segment blieb gänzlich unberührt.

Zusammenfassend weisen die unterliegenden Faktoren auf eine breite Stärke hin, die nicht durch eine buchhalterische Fehlinterpretation hinsichtlich der schwachen Importzahlen verzerrt wird. Auch wenn der Import-Rebound die Schlagzeile lieferte, zeigt die robuste und breit gefächerte Beschleunigung des Konsums (Dienstleistungen, Waren) sowie die Aufwärtsrevision der sog. Real Final Sales to Private Domestic Purchasers die unvergleichbare Resilienz der US-Wirtschaft. Allerdings bleiben natürlich auch Risiken, insbesondere aus dem schwächelnden Arbeitsmarkt und den anhaltenden Handelsunsicherheiten, weiterhin bestehen.

Daher gilt es umso mehr, extrem wählerisch zu sein, wenn es um Investitionen geht. Gutes Stock-Picking bleibt also das Gebot der Stunde.