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Know-how und Erfahrungen gefragt

Printausgabe | Januar 2024
Es gibt nichts zu beschönigen: Um die Gewerbeimmobilien ist es derzeit weltweit häufig nicht gut bestellt. Mit dem Fall des Benko-Imperiums hat die Krise einen neuen Höhepunkt erreicht. Die Konsequenz: Banken und Aufsichten treten verstärkt auf den Plan. Investoren sind verunsichert. Doch wie in jeder Krise gibt es auch Chancen – vor allem in den USA.
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Immobilien stehen seit jeher für Langfristigkeit und als Fels in der Brandung bei Krisen. Und so hatten sich in den letzten zehn Jahren viele Investoren und Banken weltweit in diese Anlageklasse gestürzt, um ihre Erträge zu steigern. Denn die negativen Zinssätze schmälerten die Rentabilität. Der Weg führte dabei seit über einer Dekade nur in eine Richtung: aufwärts. Dann aber kam die Pandemie und die Verwerfungen begannen. 2023 stellt einen neuen Höhepunkt dar. Das Jahr ist nicht nur geopolitisch und wirtschaftlich herausfordernd, auch die steigenden Anforderungen an Regulierungen, Digitalisierung und ESG hinterlassen zunehmend Spuren.

Zusammen mit den Rahmenbedingungen aus hohen Zinsen, explodierenden Baukosten, steigenden Schulden und einem schwachen Wirtschaftswachstum bildeten sie nicht nur in Deutschland, sondern in vielen Ländern ein toxisches Gemisch. Das belastet die Gewerbe- und Wohnungsmärkte, Bauträger, Projektentwickler und Geldgeber in Deutschland, Europa, Großbritannien und Nordamerika massiv. Europa steht zudem vor einer Energiekrise und der Ungewissheit durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Der asiatisch-pazifische Raum leidet unter geopolitischen Spannungen, im Zentrum dabei Taiwan. Nun entwickelt sich der Nahe Osten zum Pulverfass. Und das in Zeiten, wo allein in den USA Immobilienkredite in Höhe von rund 2,4 Billionen US-Dollar in den nächsten fünf Jahren fällig werden. Kein Wunder, dass die Bankenaufsichten weltweit zunehmend kritisch auf das Engagement von Kreditinstituten bei Gewerbeimmobilien schauen, da sie befürchten, dass zu wenig für mögliche Kreditausfälle zurückgestellt wird. Die Europäische Zentralbank hat sich sogar an Immobiliengutachter gewandt, um zu prüfen, ob deren Schätzungen zu optimistisch seien, wie Bloomberg berichtete.

Wenig erfreulich waren auch die aktuellen Ergebnisse des RICS Global Commercial Property Monitor (GCPM) für das zweite Quartal 2023. Sie zeigen deutlich, dass sich die Stimmung auf dem weltweiten Gewerbeimmobilienmarkt weiterhin verschlechtert. „Die Flexibilisierung der Arbeit zeigt weiterhin starke Auswirkungen auf die Assetklasse Büro, die jetzt ihre Resilienz in einem sich nachhaltig veränderten Marktumfeld unter Beweis stellen muss“, so Jens Böhnlein, Vorstandsvorsitzender von RICS Deutschland. Auch der deutsche Markt könne sich dem aktuellen Geschehen nicht entziehen und müsse zusätzlich zur Verschlechterung der Stimmung am Kapitalmarkt nunmehr auch mit Herausforderungen der Angebotsmieten in peripheren Teilmärkten rechnen. Leichte positive Signale sieht der Experte vor allem im Hotel- wie auch im Einzelhandelsbereich.

Cashflow im fokus

Deutsche Bank-Chef Christian Sewing sieht auch von der Finanzierungsseite schwere Zeiten für Gewerbeimmobilien anbrechen, da die Zinsen auch die beiden kommenden Jahre zur Bekämpfung der Inflation noch hoch bleiben würden. „Besonders in herausfordernden Zeiten wie diesen fokussieren sich Investoren wie auch Finanzierer auf vermeintlich sichere und cashflowstarke Investments”, bestätigt auch Helge Scheunemann, Head of Research JLL Germany. „Bei den Banken wird das dadurch deutlich, dass sie sich verstärkt auf Prolongationen der bestehenden Finanzierungen sowie auf krisenresistente Assetklassen wie Wohnen und Logistik konzentrieren.“

Die Deutsche Pfandbriefbank (PBB) zeigt für Deutschland den Grad der Verwerfungen. Angesichts der länger anhaltenden Schwäche am Markt für gewerbliche Immobilien hat die Bank ihre Risikovorsorge mit 83 Millionen Euro deutlich aufgestockt – viermal so hoch wie in den ersten sechs Monaten des Jahres – und parallel dazu auch ihre Prognosen gesenkt. „Wir rechnen erst im ersten Halbjahr 2024 mit einer Stabilisierung am Immobilienmarkt. Der Preisfindungsprozess zieht sich deutlich länger hin als erwartet. Wir haben uns daher entschieden, bereits im dritten Quartal die bilanzielle Risikovorsorge deutlich zu erhöhen. Wir bleiben voraussichtlich trotzdem deutlich profitabel, passen aber unsere Guidance für das Gesamtjahr 2023 an“, erklärt CEO Andreas Arndt diesen Schritt. Gründe seien die Einschläge auf dem US-Büromarkt, der angesichts angestiegener Zinsen zunehmend unter Druck stünde. Bei Darlehensabschluss seien alle von der PBB finanzierten Büroobjekte A-Lagen zuzuordnen gewesen. Strukturelle Veränderungen hätten jedoch inzwischen teilweise zu einer Einstufung als B-Lage und zu teils schnellen und deutlichen Wertrückgängen in zuvor erstklassigen Standorten geführt, auch getrieben durch in den USA übliche kürzere Refinanzierungszyklen. Ein intensiver Blick auf die USA ist daher lohnend.

Angesichts der Gemengelage fällt es inzwischen vielen Investoren und Anbietern schwer, optimistisch in die Zukunft zu blicken. Doch analysiert man die Weltwirtschaft genau, so zeigt sie sich allen Problemen zum Trotz immer noch relativ robust. Die harte Landung durch die Abkehr vom billigen Geld traf vor allem Deutschland. In den USA widersetzte sich die Wirtschaft entgegen allen Prognosen einer Rezession und konnte die Zinswende – immerhin elf Zinserhöhungen seit März 2022 – relativ gut wegstecken, auch wenn der rasante Zinsanstieg Zahlungsausfälle, regionale Bankenkrisen und strengere Kreditvergabestandards zur Folge hatte (siehe Schaubild rechts). Trotz aller Krisenresilienz besteht dennoch kein Zweifel daran, dass sich auch in den USA seit der Pandemie Mietimmobilien, Büros, der Einzelhandel und andere Sektoren verändert haben, wobei sich die Trends je nach Bundesstaat, Region und Stadt unterschiedlich entwickeln. Daher gilt es – auch das ist keine Neuigkeit – einzelne Segmente individuell zu betrachten.

Büroimmobilien bereiten Investoren das meiste Kopfzerbrechen – auch in den USA. Nach der Pandemie arbeiten viele Menschen immer noch vermehrt von zu Hause aus. In San Francisco etwa droht daher ein „epischer Absturz im Gewerbeimmobilienbereich“, so die Warnung des „San Francisco Standards“ bereits im Jahr 2022. Bloomberg warnt ebenfalls, dass sogar im Business-Hotspot New York das Homeoffice Manhattans Gewerbeimmobilienmarkt kaputt mache. In seiner Analyse „Work From Home and the Office Real Estate Apocalypse“ (Arbeit von zu Hause aus und die Apokalypse der Büroimmobilien) analysieren der NYU-Stern-Professor Arpit Gupta und die Co-Autoren Vrinda Mittal und Stijn Van Nieuwerburgh (Columbia Business School) die Auswirkungen der Telearbeit auf den gewerblichen Büroflächensektor in New York City. Gupta geht von einem langfristigen Rückgang der Bürobewertungen in Höhe von 39 Prozent aus – das entspricht einer Wertvernichtung von 435 Milliarden US-Dollar.

büro statt homeoffice

Anders sieht die Situation in Städten wie London, Singapur und anderen asiatischen Hauptstädten aus. Hier fällt die Begeisterung für das Homeoffice, schon aufgrund der Mentalität, aber auch der oft sehr kleinen Wohnungen, geringer aus. Besonders Angestellte, die in hochwertigen und nachhaltigen Büros an attraktiven Standorten tätig sind, gehen weiterhin gerne ins Büro, sagen internationale Immobilienexperten. Dämpfend wirkt in den USA auch die Tatsache, dass für 2023 nur wenig neu gebaut wird, und sich die Neubauten in der Pipeline auf wenige Metropolen konzentrierten. Die Angebotsmieten und Leerstandsquoten haben sich im Durchschnitt nur wenig bewegt. Zudem gilt es laut Pimco in den USA auch, zwischen börsennotierten Immobilienfonds (Real Estate Investment Trusts, kurz REITs), die 2022 rund ein Viertel ihres Werts eingebüßt haben, und dem Preisniveau, das an den privaten Märkten herrscht, zu unterscheiden.

Hingegen galt die Logistikbranche weltweit als Gewinner der Pandemie. Langfristig wird auch der E-Commerce ein wichtiger Treiber für industrielle Lager- und Vertriebsflächen sein. Just-in-Time-Lieferungen haben in den USA, aber auch in den asiatischen Ländern einen hohen Stellenwert. Auch in Europa gewinnt das Thema „Last Mile“ an Bedeutung. Mieter suchen in den USA, aber auch in Europa moderne Logistikimmobilien mit geringerem CO₂-Fußabdruck. Nearshoring, also die Verlagerung auf nahegelegene Orte, dürfte in vielen Ländern die Nachfrage steigern. Die Prognose von Investitionen in Industrieimmobilien ist aber besonders schwierig, weil sie stark vom Grad der bevorstehenden wirtschaftlichen Abschwächung abhängen. In der Vergangenheit hat sich die Performance des Industriesektors am stärksten und mit der geringsten Verzögerung an das Wirtschaftswachstum angepasst. Parallel dazu ist weltweit eine wachsende Nachfrage nach Rechenzentrumskapazitäten zu sehen. Dank der Digitalisierung wird dieser Trend bleiben. Zumal die Anforderungen an Latenzzeiten und digitale Souveränität lokale Einrichtungen erforderlich machen. In Europa sind die Kapazitäten, so die Pimco-Analysen, noch wesentlich geringer als in den USA.

Das Segment Hotellerie hat sich in den USA, aber auch weltweit von seinem pandemiebedingten Abschwung erholt und erweist sich trotz des sich verschlechternden konjunkturellen Umfelds und der steigenden Betriebskosten als sehr robust. In den USA erfreut das zweite Halbjahr 2023 die Analysten auf diesem Sektor, da sich typische saisonale Trends entwickeln und der Umsatz pro verfügbarem Zimmer (RevPAR) weiter steigt. Die Branche verzeichnete deshalb bereits im vergangenen Jahr einen Anstieg an Käufern, der auch 2023 anhält, insbesondere von High-End-Häusern, die als rezessionsresistent gelten.

Auch in den USA hatte der Einzelhandel mit Problemen bei Mieten und Bewertungen zu kämpfen. Sollte es zu einer Rezession kommen, würde dies natürlich auch auf die Konsumausgaben drücken. Doch in Teilmärkten, die in den vergangenen Jahren von einem starken Bevölkerungswachstum und wenigen neuen Einzelhandelsimmobilien geprägt waren, bestehen durchaus Chancen. Mixed-Use-Immobilien mit mehreren Mietern in sehr guten Lagen können das Risiko reduzieren, da sich diese Immobilien in der Vergangenheit meist als sehr widerstandsfähig erwiesen haben.

Folglich bleibt festzuhalten: Das aktuelle Umfeld im Bereich Gewerbeimmobilien steckt weltweit voller Herausforderungen und erfordert mehr denn je Flexibilität, Geduld und eine langfristige Perspektive. Die US-Gewerbeimmobilienmärkte werden, wie auch viele Märkte in Europa, im kommenden Jahr von externen und internen Unsicherheiten geprägt bleiben. Ein kühler Kopf ist daher das Gebot der Stunde. In Krisen ist – sofern man es sich finanziell leisten kann – Geduld bislang immer der beste Ratgeber gewesen, da sich der langfristige Wert einer Immobilie letztlich durch Angebot und Nachfrage bestimmt. Natürlich kann sich die Dynamik im Gewerbeimmobilienbereich angesichts der vielen Unwägbarkeiten nicht nur in den USA, sondern weltweit, schnell weiter eintrüben. Für viele Investoren mag das entmutigend wirken. Es könnte aber auch einer der besten Zeiträume für Investments seit vielen Jahrzehnten werden – das entsprechende Know-how und Erfahrung vorausgesetzt.