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Energiewende für Klima und Frieden

April 2022
Ein effektives Russland-Embargo ließe sich mit höheren CO₂-Abgaben und weniger Energieverbrauch erzielen, meint Jochen Wermuth, Partner bei Wermuth Asset Management.
Wermuth AM
Jochen Wermuth, Wermuth AM

Der Klimawandel und der Krieg in Europa sind zwei der größten politischen Herausforderungen dieser Zeit. Bei der Bewältigung steht unser Energieverbrauch im Mittelpunkt der Lösung. Beim Klimawandel geht es darum, dass wir insgesamt deutlich weniger CO₂ ausstoßen. Beim Krieg in Europa, dass wir nicht weiter über den Kauf von russischem Öl, Gas und Kohle Putins Feldzug finanzieren“, sagt Jochen Wermuth, Climate Impact Investor und Partner bei Wermuth Asset Management.

Energie-Embargo jetzt: Krieg und Russland-Sanktionen führen zu Supergewinnen bei russischen Energieexporteuren und zu 75prozentig höheren russischen Staatseinnahmen

Die freiwillige Initative „Ein Grad weniger“ erreiche bisher mehr, um die Finanzierung von Putins Ukraine-Krieg zu reduzieren als die 7000 offiziell verhängten Sanktionen gegen Russland. Letztere haben zwar eine wichtige Signalwirkung, haben die Bevölkerung hart getroffen, aber letztlich die russischen Staatseinnahmen nur gestärkt. „In der EU zahlen wir weiter jeden Tag zwischen 500 und 900 Millionen € für Energielieferungen an Russland, so das von ernsthaften Sanktionen gegen den russischen Staat bisher keine Rede sein kann. Diese treffen aber vor allem die einfachen russischen Bürger:innen. Der russische Staat finanziert sich größtenteils aus Gewinnen von Energieexporteuren. Der Krieg und die Sanktionen haben bisher die Einnahmen des russischen Staats im März 2022 im Vergleich zum Vorjahresmonat um etwa 75 Prozent erhöht. Ein effektives Embargo gegen die Einfuhr von fossilen Energieträgern aus Russland ist der einzige Weg, die Einnahmen des russischen Staats zu reduzieren. Nur wenn wir die Nachfrage nach fossilen Energien reduzieren, fallen sowohl die CO₂-Emissionen als auch die Einnahmen russischer Exporteure, des russischen Staats und damit Putins Möglichkeit in der Ukraine und anderswo weiter Krieg zu führen“, so Wermuth.

Russland produziert laut Internationaler Energieagentur IEA rund 32 Millionen TeraJoule (TJ) an Energie pro Jahr. Bei einem weltweiten Energieverbrauch von 580 TJ macht das fast 6 Prozent aus. Ein Embargo wird zu einer weltweiten Angebotsverknappung führen. Das bedeutet stellenweise besondere Engpässe, weil 14 Prozent der weltweiten Ölproduktion aber vor allem auch 40 Prozent der EU-Gasimporte aus Russland stammen. „Die einzige sinnvolle Lösung, um die Nachfrage nach fossilen Energieträgern und damit die Preise und Einnahmen russischer Firmen und des russischen Staats zu senken, sind höhere Steuern auf CO₂-Emissionen die die weltweite Nachfrage nach fossilen Energien um wenigstens die 6 Prozent reduzieren, die Russland herstellt“, erläutert Wermuth.

Wenn die Nachfrage dann erstmal niedrig genug sei, dass eine Angebotsverknappung durch ein Embargo nicht zu höheren Preisen führt, dann kann ein Embargo auch wirklich greifen. „Gut gemeint reicht nicht. Ein Embargo ohne Nachfragereduzierung durch eine CO₂-Lenkungsabgabe wird ein Eigentor wie die Alkohol-Prohibition in den USA, die die Mafia nur stärkte. Wenn nur China sich dem Embargo nicht anschließt, macht das 26 Prozent der Weltnachfrage aus und das Embargo läuft de facto ins Leere. Deutschland kommt auf 2 Prozent, die EU auf 9 Prozent, die G7 immerhin schon auf 27 Prozent der Nachfrage.“

Angemessene CO₂-Bepreisung ist dringend notwendig

Um sowohl den Krieg in der Ukraine als auch den Klimawandel zu stoppen, benötigen wir daher sofort eine signifikant höhere Besteuerung von fossilen Energien. Das deutsche Umweltbundesamt schätzt, dass von einer heute emittierten Tonne CO₂ Gesundheits- und Umweltkosten von insgesamt circa 700 Euro verursacht werden. Das ist um ein Vielfaches höher als der aktuelle Marktpreis für CO₂ Emissionsrechte von circa 80 Euro je Tonne oder die deutsche Wärmesektor-CO₂-Besteuerung von 30 Euro die Tonne.

Selbst wenn man die zukünftigen Kosten mit 1 Prozent pro Jahr „abdiskontiert“ kommt das Umweltbundesamt auf 201 Euro pro Tonne. Bei dieser „Abdiskontierung“ wird davon ausgegangen, dass die Emissionen, die nicht nur heute eine Wirkung haben, sondern noch viele Jahre (100 Jahre im Fall von CO₂) weiterwirken, aus heutiger Sicht umso weniger problematisch sind, je später sie auftreten. Mit anderen Worten, bei einer Abdiskontierung von 700 Euro auf 201 Euro werden die Schäden, die Menschen und die Umwelt in der Zukunft erleiden weniger hoch bewertet als die, die heute eintreten. Im Lissaboner Vertrag der EU ist das „Verursacher Prinzip“ verankert, nachdem der Verursacher von Umweltschäden diese auch bezahlen muss. „Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Bundesregierung keine Politik auf Kosten zukünftiger Generationen machen darf. Daraus folgt, dass die Bundesregierung Abgaben von 700 Euro pro Tonne CO₂ erheben muss, wenn sie nicht weiter verfassungswidrig handeln möchte“, betont Wermuth.

EU-Klima- und Friedensdividende in Höhe von 400 Euro pro Kopf und Monat
Erste Schätzungen gehen davon aus, dass EU-Bürger:innen im Jahr 2022 bis zu 2000 Euro mehr für Energie ausgeben müssen als im Vorjahr. Dieser Kaufkraftreduzierung muss begegnet werden. Eine Unterstützung der EU-Bürger:innen kann durch eine „CO₂-Lenkungsabgabe“ finanziert werden. Damit eine CO₂-Lenkungsabgabe gerecht, sozial verträglich und politisch akzeptabel ist, darf es keine zusätzliche Steuer sein, sondern 100 Prozent der Einnahmen müssen an die Bevölkerung zurückverteilt werden. Bei rund 7 Tonnen CO₂-äquivalenten Emissionen pro Kopf in der EU kommt man auf 4900 Euro an Kosten pro Bürger (13 Prozent des BIP) und damit zu einer „Klima & Friedensdividende“ von rund 400 Euro pro Kopf und Monat.

Die CO₂-Lenkungsabgabe an der EU-Aussengrenze und auf die Produktion fossiler Energieträger würde erstmal zu höheren Verbraucherpreisen verschiedener Güter und Dienstleistungen führen. So würden Benzin, die Heizkosten, der Urlaubsflug, aber auch Fleisch, Stahl und Beton noch teurer als jetzt schon. Die Klima- und Friedensdividende gäbe aber jedem zu Anfang jedes Monats die Summe in die Hand, die eine durchschnittliche Person durch die CO₂-Lenkungsabgabe an Mehrkosten hat. Dann könnten die Bürger:innen frei entscheiden, ob sie so weitermachen möchten wie bisher oder ob man doch lieber mal mit dem Fahrrad fährt, sich ein Auto teilt, die Heizung auf „ein Grad weniger“ einstellt, sich eine Balkon-Solaranlage kauft, oder weniger Fleisch isst. Wer am Ende unterdurchschnittlich konsumiert, hat am Ende des Monat Geld übrig. Wer gerne viel fliegt kann das auch tun, würde jedoch dann verfassunggemäß für die gesellschaftlichen Kosten zahlen. Während höhere Energiepreise und eine CO₂-Lenkungsabgabe erstmal regressiv wirken, also die Ärmeren stärker treffen als die Wohlhabenderen, schafft die Friedens- und Klimadividende hingegen mehr Gerechtigkeit, denn jede Peson – auch jedes Kind und jede Rentnerin bekäme dieselbe Summe – 400 Euro jeden Monat für jeden.

Während die CO₂-Lenkungsabgabe die Preise für fossile Energien erhöht, senkt sich dadurch die Nachfrage nach fossilen Energien. Durch eine weltweite Nachfragereduzierung die eine Angebotsreduzierung durch ein Embargo übersteigt, ließen sich dann auch niedrigere Erzeugerpreise und damit niedrigere russischen Staatseinnahmen realisieren.

Deutsche G7-Initiative zur Einführung einer „CO₂-Lenkungsabgabe“ notwendig
„Wenn wir nicht endlich anfangen, die vollen Kosten unserer CO₂-Emissionen in den Preisen abzubilden, werden weiter einige wenige Menschen ein Gemeinschaftsgut in viel größerem Umfang als andere kostenlos konsumieren und zu Lasten künftiger Generationen Gewinne erzielen. Das ist innerhalb Deutschlands, innerhalb der EU aber auch weltweit unvertretbar ungerecht. Die CO-Emissionen pro Kopf liegen zum Beispiel im Kongo bei nur 0,04 Tonnen pro Jahr. Wir verbrauchen in Deutschland jedoch über 9 Tonnen pro Kopf – mehr als das 250-fache, ohne dafür zu zahlen“, so Wermuth.

„Was für Deutschland und die EU gilt, gilt natürlich auch für die G7 Partner USA, Großbritannien, Kanada, und Japan: Wer tatsächlich in Solidarität zur Ukraine steht muss jetzt seinen fossilen Energieverbrauch durch eine CO2-Lenkungsabgabe reduzieren, begleitet von einer Klima- und Friedensdividende. Im Moment zahlen die EU und Japan die höheren Energiepreise während die Energieexporteure USA, Grossbrittanien und Kanada gemeinsam mit Russland am Ukrainekrieg gut mitverdienen. Wenn man es mit dem Frieden in der Ukraine und dem Klima ernst meint, muss Deutschland jetzt sofort eine G7 Initiative zur global abgestimmten Einführung einer CO₂-Lenkungsabgabe zu Vollkosten, begleitet von einer Klima- und Friedensintiative einleiten. Dadurch würde der weltweite Energieverbrauch tatsächlich sinken“, sagt Wermuth.