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Das kraftvolle Potenzial der Kreislaufwirtschaft

April 2024
von Mathias Pianowski, Leiter Nachhaltigkeitsresearch ÖKOWORLD
Ökoworld
Mathias PIANOWSKI, Ökoworld

Kreislaufwirtschaft sei „in Alltag und Wirtschaft angekommen“, habe ich jüngst gelesen. Ich halte das für eine Fehleinschätzung. In der Kreislaufwirtschaft wird der Verbrauch von Rohstoffen, Wasser und Energie nicht nur deutlich verringert, sondern Stoffkreisläufe werden vollständig geschlossen und die Energie stammt aus erneuerbaren Quellen. Bis zum Jahr 2040 müssten insgesamt 80 bis 90 Prozent aller eingesetzten Ressourcen weltweit im Kreislauf genutzt werden, um unsere Erde nicht zu überlasten – ein unerreichbarer Wert, betrachtet man die derzeitigen Entwicklungen im Ressourcenverbrauch.

Ohne Kreislaufwirtschaft ist eine zukunftsfähige Wirtschaft also nicht möglich. Die Verschwendung von Ressourcen wirkt sich bedrohlich auf unsere ökologischen Lebensgrundlagen aus, auf Klima, Wasserkreisläufe und vieles mehr. Die natürliche Umwelt ist mit der Verarbeitung unserer Stoffeinträge schlichtweg überfordert. Wir haben zudem gelernt, dass globale Abhängigkeiten von Primär-Rohstoffen ein großes politisches Risiko darstellen.

Das Potenzial von Kreislaufwirtschaft wird völlig unterschätzt. Denn im Vergleich von Lösungen zu den enormen Herausforderungen stehen wir erst am Anfang. Weltweit sind weniger als zehn Prozent der Wirtschaft im Kreislauf. Es wäre bei dieser Betrachtung viel zu kurz gedacht, die Kreislaufwirtschaft auf das bloße Recycling zu reduzieren. Ideen und Bedarfe entlang vollständiger Wertschöpfungsketten gibt es in viel mehr Bereichen.

VERZICHT FÜR MEHR LEBENSQUALITÄT

Kreislaufwirtschaft beginnt bei Enthaltung und Suffizienz, also bei Alternativen zur Ressourcenverschwendung. Denken wir an Mobilität. Während in den USA die Städte um den SUV herum gebaut werden, setzt man in lebenswerten Städten wie in Kopenhagen auf das Fahrrad und auf den ÖPNV. „Verzicht“ ist hier ein Gewinn an Lebensqualität und eine Chance für nachhaltige Geschäftsmodelle.

Produkte müssen „circular-ready“ entwickelt werden. Nachhaltige Pioniere offerieren heute bereits zeitlose, langlebige, modulare und reparierbare Produkte. Sie schließen bestimmte Stoffe vollständig aus, erhöhen den Einsatz recycelter Stoffe und setzen wiederum auf Aufbereitungen und damit auf Weiternutzungen am bisher vermeintlichen Ende des Lebenszyklus.

Derzeit werden unter Hochdruck dringend benötigte technische und wirtschaftliche Lösungen entwickelt. Hier kommt es meiner Erfahrung nach vor allem auf Unternehmensnetzwerke und Kooperationen entlang der gesamten Wertschöpfungsketten an – auf Vertrauen, auf das Bündeln gemeinsamer Vorteile und auf Leadership-Unternehmen, die schlichtweg anfangen und Prozesse energisch treiben. Künstliche Intelligenz (KI) wird hier eine entscheidende Rolle übernehmen. Vor allem hilft KI durch Data Analytics und Data Sharing, die Informationsasymmetrien zwischen den Akteuren abzubauen, um Qualitäten, Zusammensetzungen (z. B. bei Rezyklaten), Preise und Verfügbarkeiten zu belegen.

In vielen Bereichen entstehen völlig neue Geschäftsmodelle – beispielsweise im Bereich des Sharing, wie bei der Mobilität oder im Second-Hand- / Tausch-Bereich. Das Feld der Kreislaufwirtschaft ist also ohne Alternative, hochdynamisch, innovativ und bietet derzeit hervorragende wirtschaftliche Wachstumschancen, die zunehmend vom Ressourcenverbrauch entkoppelt werden. Alle ÖKOWORLD-Fonds integrieren daher das Investmentthema Kreislaufwirtschaft. Ohne eine solche ist Nachhaltigkeit nämlich nicht zu machen.