Selten zuvor waren die Stimmungsumschwünge der Marktteilnehmer abrupter und die Schwankungen an den globalen Börsen größer als in den vergangenen zwei Monaten, betont Eduard Baitinger, Leiter Asset Allocation der FERI AG, in seinem aktuellen Kommentar.
Am Tiefpunkt des Abverkaufs im Zuge des von Donald Trump so genannten „Liberation Day“, als der US-Präsident umfassende Zölle verkündete, waren die Aktienmärkte extrem überverkauft: Der Fear and Greed Index, der die Stimmung der Anleger misst, signalisierte massive Panik. Das Sentiment war so schlecht wie seit Jahren nicht mehr. Nur kurze Zeit später kehrte sich das Bild komplett um: Eine beeindruckend schnelle Erholung sorgte vorübergehend sogar für klar überkaufte Aktienindizes, der Fear and Greed Index schwang in den Bereich der Gier. Ausschlaggebend war insbesondere die Erkenntnis, dass selbst Trump eine – ökonomische – Schmerzgrenze hat und keinen vollständigen wirtschaftlichen Kollaps der USA in Kauf nehmen will. Entsprechend leitete er Schritte zur handelspolitischen Deeskalation ein. Diese lösten einen rasanten Stimmungsumschwung an den Kapitalmärkten aus. Vor diesem Hintergrund ist die aktuelle Konsolidierungsphase nicht überraschend, da die raschen Kursanstiege „verdaut“ werden müssen.
Anleger sollten die Risiken für die weitere Marktentwicklung nicht außer Acht lassen. Zunächst könnte die Marktstabilisierung Trump ermutigen – wie zuletzt geschehen – neue handelspolitische Drohungen auszusprechen, um die Verhandlungen in seinem Sinne zu beeinflussen. Hinzu kommt, dass die Börsenturbulenzen im April US-amerikanische Verbraucher und Unternehmen nachhaltig verunsichert haben. Und Unsicherheit ist bekanntlich Gift für die Wirtschaft, da sie Firmen von Investitionen und Konsumenten von größeren Anschaffungen abhält. Die Folgen dieser Verunsicherung schlagen sich bereits in zahlreichen Frühindikatoren nieder.
Die Erfahrung zeigt, dass sich eine solche Nachfrageschwäche zeitverzögert meist auch in den „harten“ Konjunkturdaten widerspiegelt. Hinzu kommt, dass trotz der handelspolitischen Deeskalationen der effektive US-Zollsatz deutlich gestiegen ist und einen inländischen Preisanstieg zur Folge haben wird. Analysten gehen davon aus, dass Einzelhändler ab Mitte Juni damit beginnen werden, die gestiegenen Zollsätze in Form höherer Preise an die Verbraucher weiterzugeben. Den USA droht damit ein Sommer mit klaren stagflationären Tendenzen.
WENIG INTERESSE AN JAPANISCHEN STAATSANLEIHEN
Eine eigentlich routinemäßige Auktion 20-jähriger japanischer Staatsanleihen sorgte Anfang vergangener Woche für Aufsehen an den Finanzmärkten und führte zeitweise zu spürbaren Renditeanstiegen bei langlaufenden Anleihen weltweit. Was war passiert? Die Nachfrage fiel überraschend schwach aus – es war die geringste Beteiligung seit über einem Jahrzehnt.
Entsprechend mussten deutlich höhere Renditen geboten werden, um Investoren überhaupt zugreifen zu lassen. Japan ist derzeit in einem Dilemma: Einerseits möchte das Land aus der Deflationsspirale entkommen und seine Geldpolitik normalisieren. Andererseits geht dies zwangsläufig mit einem Anstieg der Marktzinsen einher – was angesichts der enormen Staatsverschuldung des Landes die Zinsausgaben perspektivisch auf ein unhaltbares Niveau steigen lassen und zu erheblichen Turbulenzen an den Kapitalmärkten führen könnte. Die jüngsten Verwerfungen am japanischen Anleihemarkt verdeutlichen, dass der geldpolitische Kurs der Bank of Japan zunehmend unerwünschte Nebenwirkungen für die globalen Finanzmärkte entfaltet. Professionelle Anleger sollten auch das Thema genau beobachten.