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„Baby-Boomer aktiv unterstützen“

Juli 2023
Die Generation der „Baby-Boomer“ steht vor dem Wechsel in den Ruhestand und hat großen Beratungsbedarf. Damit eröffnet sich für Berater ein aussichtsreiches Aktionsfeld, betont Dr. Henriette Meissner, Geschäftsführerin der Stuttgarter Vorsorge-Management GmbH. Die bAV-Generalbevollmächtigte nennt praktische Beispiele und gibt Vermittlern einen Tipp.
Thomas Bernhardt
Henriette Meissner, Stuttgarter

FONDS exklusiv: Die „Baby-Boomer“ sorgen für Schlagzeilen. Denn die Wirtschaft sieht sich mit massiven Personalengpässen konfrontiert, weil diese geburtenstarken Jahrgänge millionenfach in den Ruhestand wechseln. Alle schauen auf die fehlenden Arbeitskräfte. Doch wie sieht es eigentlich mit den Boomern selbst aus?
HENRIETTE MEISSNER: Das ist eine wichtige Frage. Denn in den nächsten Jahren gehen die Boomer-Jahrgänge sukzessive in Rente. Allein 2021 zählte die Deutsche Rentenversicherung Bund etwa 900.000 Neuanträge auf Altersrente. Diese Menschen beschäftigen sich jetzt schon intensiv mit der Vorbereitung ihrer Rentenphase und haben vielfach Beratungsbedarf: Was mache ich mit Kapitalzahlungen, die zum Beispiel aus Lebens- oder Direktversicherungen fällig werden? Ab wann kann man mit welchen Abschlägen in Rente gehen und kann ich die Abschläge ausgleichen? Lässt sich noch für den Pflegefall vorsorgen? Die Beispiele zeigen: Hier eröffnet sich ein wichtiges Feld für kompetente Berater, das noch viel zu wenig erkannt ist.

Welche Möglichkeiten bieten sich den Betroffenen, wenn sie eine große Kapitalsumme von 100.000 Euro und mehr von ihrem Lebensversicherer ausgezahlt bekommen?
H. M.: Vielfach ist die erste Frage der Kunden: Der Versicherer hat mich angeschrieben und fragt, ob ich Kapital oder Rente möchte. Und schon da setzt die ganzheitliche Beratung ein. Denn es kommt sehr auf die persönliche Situation des Kunden und oft auch des Ehepartners an. Mit anderen Worten: Zuerst muss eine Bestandsaufnahme der persönlichen Situation und des finanziellen Status gemacht werden, bevor seriöse Empfehlungen ausgesprochen werden können. Zudem bedarf es oft auch der kombinierten Expertise.

Inwiefern, Frau Meissner?
H. M.: Es gibt Kolleginnen und Kollegen, die auch mit rentenrechtlicher Brille auf den Fall schauen, zum Beispiel auf die Frage, ob sich ein sogenannter Rückkauf der Rentenabschläge nach Paragraf 187a SGB VI lohnt oder wie Angebote auf Altersteilzeit, die oft mit Besonderheiten in den betrieblichen Versorgungsregelungen einhergehen, zu beurteilen sind. Und es ist wichtig, neben Versicherungs- auch Anlagemöglichkeiten für das Kapital zu eröffnen, entweder durch eigene Expertise oder auf Basis einer entsprechenden Kooperation.

Welche Kriterien sind bei der Entscheidung wichtig, ob das Kapital angelegt oder lebenslang verrentet wird?
H. M.: Es kommt auf die persönliche Lebenssituation an. Ich erlebe gerade selbst, wie die Themen Langlebigkeit und Pflegebedürftigkeit immer mehr ins Bewusstsein der Silver-Ager rücken, und Sicherheit sowie Planbarkeit haben einen hohen Stellenwert. Da bieten sich Rentenversicherungen an. Allerdings gibt es auch hier eine breite Palette, die beraten werden muss. Doch auch Kapital und Kapitalanlage können in der individuellen Situation wichtig sein, beispielsweise für den altersgerechten Umbau, für eine Solaranlage, für die Dämmung des Hauses oder die Unterstützung der Kinder. Die richtige Mischung macht es aus.

Gibt es weitere Effekte, die berücksichtigt werden sollten?
H. M.: Zum einen können bei frühzeitiger Planung auch steuerliche Effekte, zum Beispiel durch eine Basisrente oder die abzugsfähigen Beiträge nach Paragraf 187a SGB VI erzielt werden. Zum anderen sollte unbedingt die Absicherung der Ehefrauen, die oft geringere eigene Renten haben, nochmals abgeklopft werden: Reicht die Witwenrente oder muss hier nachgebessert werden?

Welchen Tipp haben Sie für Vermittler?
H. M.: Mein Tipp ist, gehen Sie frühzeitig – am besten schon, wenn sie Mitte, Ende 50 sind – auf ihre Vorsorgekunden zu. Denn manche Gestaltungsmöglichkeit bedarf der Vorbereitung oder kann durch eine Streckung der Zahlungen optimiert werden. Sie haben die Chance, sich als kompetenter Ansprechpartner früh zu etablieren.