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Altersvorsorge in der Sackgasse

Printausgabe | Dezember 2022
Die Politik rudert mit der „Aktienrücklage“ einmal mehr zurück. Dabei würde ein Blick über die Landesgrenzen schon helfen, z. B. nach Großbritannien und Schweden.
Fonds exklusiv
Kay Schelauske, Chefredakteur

Die Bundesregierung will 2023 offenbar mit der „Aktienrente“ starten, wie mehrere tagesaktuelle Medien übereinstimmend berichten. Wer sich das Vorhaben jedoch näher anschaut, merkt schnell: Es geht vielmehr um eine „Aktienrücklage“. Beide Begriffe klingen ähnlich, meinen aber etwas ganz anderes. Die „Aktienrente“ sollte vereinfacht zusammengefasst die Möglichkeit schaffen, dass ein bestimmter Prozentsatz des Bruttoeinkommens an den Kapitalmärkten über einen unabhängigen Fonds steuerlich gefördert für die Altersvorsorge angelegt werden kann. Gerade bei jungen Menschen dürfte dies auf viel Zustimmung stoßen. Sie stehen erst am Anfang ihres Berufslebens und haben eine größere Affinität gegenüber Aktien(-fonds).

Bei der nunmehr geplanten „Aktienrücklage“ sollen nach aktuellem Stand zehn Milliarden Euro schuldenfinanziert aufgenommen und ebenfalls in einen unabhängigen Fonds investiert werden. Die Erträge kommen jedoch nicht der individuellen Altersvorsorge der Bürgerinnen und Bürger zugute, sondern sollen voraussichtlich Mitte der 30er-Jahre ins staatliche Rentensystem fließen. Das Ziel: Die gesetzliche Rente soll angesichts zukünftig zu erwartender Belastungen gestärkt werden. Die Krux: Die Vorsorgesparer profitieren nicht direkt von den höheren Ertragschancen an den Aktienmärkten.

Hohe Aktienquoten

Dass dies anders geht, zeigt der Blick über die Landesgrenzen des Deutschen Aktieninstituts (DAI). Beispiel Großbritannien. Dort verwaltete der National Employment Savings Trust (Nest) als öffentlich-rechtliche Institution im Rahmen der betrieblichen Vorsorge 2018 gut fünf Milliarden Euro. Die gesamte Aktienquote liegt bei 49 Prozent. Nest wendet aber im Standardmodell eine Lebenszyklusstrategie an. Dabei wird der individuelle Aktienanteil während einer 30-jährigen Wachstumsphase sukzessive auf einen Wert zwischen 45 und 65 Prozent erhöht, um einen jährlichen Ertrag von mindestens drei Prozent nach Kosten und Inflation zu erzielen. Ab zehn Jahre vor Renteneintritt wird der Aktienanteil auf null bis 20 Prozent gesenkt, um das Altersvorsorgeguthaben vor Wertverlusten zu schützen.

Beispiel Schweden. Aktieninvestments sind dort bei allen drei Pensionssäulen tragend. Im Rahmen der schwedischen Prämienrente der ersten Säule wendet der staatlich organisierte Standardfonds AP7 Såfa ebenfalls eine Lebenszyklusstrategie an: Bis zum Alter von 55 Jahren bleibt die Aktienquote bei 100 Prozent der Beiträge. Erst ab einem Alter von 75 Jahren wird der Anteil im Aktienfonds auf konstant 33 Prozent gehalten und Rentenfonds entsprechend übergewichtet. Dies erklärt, warum die gesamte Aktienquote im Jahr 2019 bei beachtlichen 92 Prozent lag. Laut DAI erzielte der AP7 Såfa im zurückliegenden Jahrzehnt ein Plus von 285 Prozent.

Keine Frage, der alleinige Blick auf die Aktienquoten greift zu kurz. Aber für langfristige Ansparprozesse wie die Altersvorsorge gibt es keinen besseren Vermögensbildner, wie auch die vom DAI dokumentierten Anlageergebnisse bestätigen. Von einem solchen Erfolg versprechenden Weg hat sich die deutsche Politik aber offenbar schon verabschiedet, bevor sie ihn überhaupt beschritten hat. Die Konsequenz dieses Unvermögens ist ein steigender Bedarf an privater Vorsorge, wo die Riester-Rente immer noch in der Sackgasse steckt.