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Nicht für jeden geeignet

Printausgabe | Juli 2025

Die private Krankenversicherung stand mal wieder im medialen Kreuzfeuer. Fakt ist jedoch, dass sie eine bessere medizinische Versorgung ermöglicht als gesetzliche Krankenkassen das tun. Das gilt allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen und nicht für jeden.

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Die  private Krankenversicherung (PKV) bietet nicht per se besseren Schutz im Krankheitsfall als die gesetzliche Krankenversicherung (GKV). Zu diesem „überraschenden“ Ergebnis kommt die Stiftung Warentest Finanzen (ehemals Finanztest) im Februar dieses Jahres nach einer Prüfung von 1.245 Tarifkombinationen von 35 privaten Krankenversicherern. Bewertet wurden davon 384 Kombinationen von 23 Anbietern, die gute oder sehr gute Bewertungen erhielten, da sie den von den Testern vorgegebenen „Rundum-Schutz“ (Grundleistungen) erfüllen.

Demnach bieten die meisten PKV-Tarife zu geringe Leistungen oder haben zu hohe Selbstbehalte, also Kostenanteile, welche die Versicherten selbst tragen müssen. Nur ein Drittel aller PKV-Tarife leistet mehr als die GKV. „Sehr viele PKV-Tarife haben Lücken. Viele leisten sogar weniger als gesetzliche Krankenkassen“, so Julia Bönisch, Vorständin der Stiftung Warentest.

Probleme gebe es vor allem in der Palliativpflege und bei der ambulanten Psychotherapie. Auch eine Kieferorthopädie nach einem Unfall werde teilweise nicht erstattet. Zudem fehlten im Vergleich zur GKV digitale Gesundheitsanwendungen. Und die PKV könne wegen der langfristigen Beitragsentwicklung zur existenzbedrohenden Kostenfalle werden. Deshalb empfehlen die Tester gut verdienenden Angestellten und Selbstständigen, genau zu überlegen, „ob sie sich die enormen Beiträge auch im Alter langfristig leisten können“.

Im März ermittelte dann die Beratungsfirma Premiumcircle Leistungslücken mehrerer Tarife der PKV im Vergleich zur GKV. Lücken gebe es insbesondere bei der Absicherung nicht rechtswidriger Schwangerschaftsabbrüche, der Beitragsfreiheit in Elternzeit, der Krankenpflege, Palliativversorgung, Anschlussheilbehandlung, bei Präventionsmaßnahmen und der Psychotherapie. Medien wie der „Spiegel“ und „Frontal 21“ griffen diese Analyse dann auf und befeuerten die Kritik – der Tenor: PKV-Tarife bieten zu geringe Leistungen oder haben zu hohe Selbstbehalte. Sie leisten nicht, selten oder nach Willkür und werden im Alter existenzbedrohend teuer.

Festzuhalten ist jedoch, dass der Vergleich zwischen der GKV und der PKV hinkt, da die Systeme völlig unterschiedlich sind. Der Leistungskatalog der GKV ist durch den Gesetzgeber festgelegt und unterscheidet sich auch zwischen den Krankenkassen nur wenig. Bei der PKV dagegen schließt der Versicherte mit dem Unternehmen einen Vertrag ab, der die Leistungen regelt. „Es gibt Tarife mit gigantischen Leistungen und welche am anderen Ende der Leistungsskala“, erläutert Johannes Neder, Vorstandsmitglied der Vema. Gleichwohl eröffnen sich für die Privatversicherten auch Vorteile, welche die Experten bei Premiumcircle in folgenden Bereichen ausmachen:

• schnellere Facharzttermine (z. B. für eine Magnetresonanztomografie, bei Hautärzten oder Orthopäden),
• Behandlungen in spezialisierten Privatkliniken, wenn der Vertrag dies vorsieht,
• Anspruch auf höherwertige Lösungen, etwa bei Hörgeräten oder Rollstühlen,
• umfassenderer Auslandsschutz und
• bessere Zahnersatzleistungen.

Der PKV-Verband weist die Vorwürfe mangelhafter Leistungen zurück. Demnach stimmt es nicht, dass privat Krankenversicherte häufig klagen müssen, um an Leistungen zu kommen. Vielmehr erfolgt die Erstattung von Arztrechnungen in aller Regel reibungslos, nur in wenigen Einzelfällen kommt es zu Beschwerden. Jedes Jahr würden mehr als 70 Millionen Rechnungen zur Erstattung eingereicht, 2024 gab es dabei nur in 0,0017 Prozent Beschwerden beim PKV-Ombudsmann. Auch die repräsentative Umfrage des Allensbach-Instituts bei Privatversicherten vom Dezember 2024 im Auftrag des PKV-Verbands belegt eine sehr hohe Zufriedenheit mit der eigenen Versicherung in Höhe von fast 95 Prozent. Fast ebenso zufrieden zeigen sich die Befragten mit ihrer medizinischen Versorgung.

leistungen gelten lebenslang 

PKV-Tarife bieten per se in den meisten Bereichen mehr als der GKV-Leistungskatalog. In der ambulanten Versorgung durch niedergelassene Ärzte erhielten PKV-Versicherte die Behandlung, die der Arzt für die medizinisch beste hält. Die GKV setzt mit ihrem Wirtschaftlichkeitsgebot enge Grenzen. Zudem beinhalte jeder PKV-Tarif die lebenslange Garantie des gewählten Leistungskatalogs, der – anders als in der GKV – nicht von der Politik gekürzt werden könne. So fragt man beim PKV-Verband ironisch: „Wenn der Leistungskatalog der GKV der alles überragende Maßstab ist – warum sehen dann fast 30 Millionen gesetzlich Versicherte die Notwendigkeit, private Zusatzversicherungen abzuschließen, etwa für mehr Zahnbehandlung oder für Wahlleistungen im Krankenhaus?“

Wie steht es um die weit verbreitete Kritik, dass die PKV wegen der langfristigen Beitragsentwicklung zur existenzbedrohenden Kostenfalle werden könne? Nun, die langfristige Beitragsentwicklung spricht zugunsten der PKV. Laut einer Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der PKV (WIP) sind die Beitragseinnahmen in der PKV je Versicherten zwischen 2005 und 2025 um durchschnittlich 0,7 Prozentpunkte pro Jahr geringer gestiegen als in der GKV (siehe Schaubild).

Zudem gibt es die Möglichkeit für Privatversicherte, bei vorliegender Hilfebedürftigkeit in den Basistarif zu wechseln. Außerdem sollen die Alterungsrückstellungen in der PKV einen abrupten Anstieg der Prämien im Alter verhindern. Die Rückstellungen stiegen im vergangenen Jahr um 4,1 Prozent auf 341,7 Milliarden Euro. Anders ausgedrückt: Die Branche legt fast jeden dritten Beitragseuro für die künftige Versorgung ihrer Versicherten zurück. „Mit diesem zweckgebundenen Vorsorge-Kapital können wir in den nächsten Jahrzehnten die Zusatzlasten der Demografie tragen“, sagt Thomas Brahm, Vorsitzender des PKV-Verbands und betont, dass dies den dauerhaften und robusten Finanzierungsbeitrag der PKV für das Gesundheits- und Pflegesystem sichere. „Es werden keine Lasten auf die Zukunft verschoben. Die jüngere Generation wird nicht belastet, die Finanzierung ist generationengerecht“, so seine Botschaft.

Kaum ein weg zurück

Mehr als 8,7 Millionen Menschen waren 2024 hierzulande privat krankenvollversichert. Mit knapp einem Viertel stellen die Beamten den größten Anteil, gefolgt von „sonstigen Nichterwerbstätigen“, Pensionären und Selbstständigen (siehe Schaubild). Laut PKV-Verband ist die Zahl der privat Krankenversicherten innerhalb von rund 20 Jahren um fast 600.000 Personen gestiegen. Wer über einen Wechsel nachdenkt, sollte sich aber darüber bewusst sein, dass ein Weg zurück nur schwer bis gar nicht möglich ist.

Privat versichern können sich nur Arbeitnehmer, deren Jahresarbeitsentgelt in diesem Jahr die Versicherungspflichtgrenze in Höhe von 73.800 Euro übersteigt sowie Beamte, andere Personen mit Anspruch auf Beihilfe oder viele Selbstständige und Freiberufler. Sinkt das Einkommen der privatversicherten Arbeitnehmer unter die Versicherungspflichtgrenze, können sie zurück in die GKV wechseln – sofern möglich. Denn ab dem 55. Geburtstag ist ein Wechsel von der PKV zurück in die GKV quasi ausgeschlossen. Hier gilt der Grundsatz: einmal privat versichert – immer privat versichert.

Während in der GKV der Beitrag vom Bruttoeinkommen abhängt, geht es bei den privaten Krankenversicherern alleine um Alter und Gesundheitszustand. Zur Veranschaulichung ein einfaches Beispiel: Die Beitragsbemessungsgrenze (BBG) bestimmt, bis zu welcher Höhe das Einkommen für Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung herangezogen wird. Sie liegt aktuell bei 66.150 Euro oder monatlich 5.512,50 Euro. Wer nahe dieser Grenze verdient, für den ist in aller Regel ein PKV-Tarif günstiger. Denn neben dem allgemeinen Beitrag von 14,6 Prozent des Bruttoeinkommens für die GKV, der für alle Versicherten gleich ist, erhöhten sich die Zusatzbeiträge, welche die Krankenkassen individuell festlegen können, in diesem Jahr durchschnittlich von 1,7 auf 2,5 Prozent. Bei einem monatlichen Einkommen von 5.512,50 Euro und einem Gesamtbeitragssatz von 17,1 Prozent (14,6 Prozent + 2,5 Prozent Zusatzbeitrag) beträgt der Höchstbeitrag 942,64 Euro. Davon zahlt der Arbeitnehmer 471,32 Euro, der Arbeitgeber den gleichen Betrag. Dazu kommt der Beitrag zur sozialen Pflegeversicherung (SPV), der 3,6 Prozent für Versicherte mit Kindern und 4,2 Prozent für kinderlose Versicherte beträgt. Im letzteren Fall sind das 231,53 Euro, der Anteil des Arbeitnehmers beträgt 115,76 Euro. Bei diesem Verdienst würde der Beitrag zur GKV und SPV demnach bei 587,08 Euro liegen. 

Kostenvorteile bei der PKV

Die Beiträge zur PKV sind dagegen einkommensunabhängig. Der Beitrag hängt von den vereinbarten Leistungen ab. So kostet beispielsweise einen 35-jährigen Arbeitnehmer eine leistungsstarke PKV inklusive Pflegepflichtversicherung laut dem Vergleichsportal Check24 bei der Allianz („MeinGesundheitsschutz“) 433,77 Euro monatlich (Arbeitnehmeranteil). Entscheidet er sich für 100 Prozent Zahnersatz, einem Ein-Bett-Zimmer mit Chefarztbehandlung und einer Selbstbeteiligung von zehn Prozent steigen die Beitragskosten auf bis zu 500 Euro im Jahr. Gegenüber der Monatsbelastung bei der GKV in Höhe von 587,08 Euro ergibt sich eine jährliche Ersparnis von 1.839,72 Euro – vorausgesetzt natürlich, der Arbeitnehmer hat keine Vorerkrankungen, die den Beitrag in die Höhe treiben oder zu Leistungsausschlüssen führen könnten. 

Einen finanziellen Vorteil haben per se Familien durch die kostenfreie Familienmitversicherung. Demgegenüber müssen Lebenspartner und Kinder in der PKV mit eigenem Vertrag versichert werden. Zu bedenken ist außerdem, dass Rechnungen der Leistungserbringer, wie Ärzte und Krankenhäuser, zunächst selbst übernommen werden müssen, bevor der Versicherer die Kosten vertragsgemäß und nach Höhe eines etwaig gewählten Selbstbehalts in einem bestimmten Umfang erstattet.

Mit Blick auf die gewünschte langfristige Beitragsstabilität spielt die finanzielle Situation des Versicherers eine große Rolle. Dann rückt die Leistungsfähigkeit des Tarifs in den Fokus, wobei es hier zunächst ratsam ist, sich klarzumachen, welche Leistungen in jedem Fall abgesichert werden sollen. Erst anschließend gilt es, die Preise potenzieller Tarife miteinander zu vergleichen und den passenden auszuwählen. Durch Nutzung der erwähnten Selbstbehalte lassen sich die monatlichen Beiträge reduzieren. Auf jeden Fall müssen Neukunden ausführliche Gesundheitsfragen beantworten. Diese müssen genau beantwortet werden, sonst kann der Versicherer nachträglich vom Vertrag zurücktreten. Schon aus diesem Grund empfiehlt es sich, einen Versicherungsmakler einzuschalten.

Die Versicherungsprofis können zudem Bedarfsanalysen durchführen, um Deckungslücken in bestehenden Policen zu erkennen und auf individuelle Bedürfnisse des Kunden zugeschnittene Angebote von verschiedenen Versicherern – meist mit Hilfe einschlägiger Software – zu vergleichen. Ratsam ist die Einbeziehung eines Experten auch deshalb, weil er bei gesundheitlichen Vorbelastungen des Interessenten, anonyme Voranfragen bei verschiedenen Versicherern stellen kann. Das ist vor allem deshalb bedeutsam: Treten Kunden direkt mit Versicherern in Kontakt und werden abgelehnt, müssen sie dies bei künftigen Anfragen bekanntgeben. Dann könnte eine künftige private Absicherung sehr schwierig werden.