„Ohne Energie keine Künstliche Intelligenz.“ So lautet die pointierte Meinung der Internationalen Energieagentur IEA, die just dieser Problematik eine neue Studie gewidmet hat, betont Gerhard Wagner, Senior Portfoliomanager Swisscanto/ZKB Asset Management, in seinem jüngsten Kommentar. Die Zahlen, die Experten der IEA ins Feld führen, haben es in sich: Ein typisches Rechenzentrum, das aus riesigen Datenmengen intelligente Schlüsse zu ziehen sucht, verbraucht dafür so viel Strom wie 100.000 Haushalte. Zusammengenommen verbrauchten solche Zentren im Jahr 2024 Strom im Umfang von 415 Terawattstunden – das entspricht in etwa dem Energieverbrauch von Deutschland.
Künftig werden es noch viel mehr, prognostiziert die Agentur. So könnte sich der Energieverbrauch von Datenzentren bis ins Jahr 2030 verdoppeln, bis 2035 gar verdreifachen. Der größte Energieverbraucher ist laut der Studie die KI, ungeachtet weniger ‚energiehungrigen‘ Modellen wie jenem von DeepSeek. Daraus ergeben sich Entwicklungen, die am Investmentthema Dekarbonisierung und Klima interessierte Anleger kennen sollten.
Das zeigt sich etwa an den Energiequellen, die Datenzentren weltweit speisen. Bereits heute kommt hier den erneuerbaren und CO2-armen Energien eine wichtige Rolle zu. Laut IEA-Berechnungen können sie bereits die Hälfe des globalen Stromnachfrage-Wachstums seitens der Rechenzentren befriedigen. Aber eben: der Stromgewinnung aus Erdgas und Kohle spielt ebenfalls eine zentrale Rolle. Kohle- und Gasverstromung stemmen derzeit die andere Hälfte der Energieverbrauchs von Rechenzentren. Bis zum Jahr 2030 wird sich das auch nicht wesentlich ändern.
Entsprechend weckt der Stromverbrauch der KI-Rechenzentren Ängste. Avanciert die vielgelobte Zukunftstechnologie zum Klimakiller, weil ihr Energiehunger zu einem rasanten Anstieg der Treibhausgas-Emissionen führt? Den IEA-Prognosen zufolge ist da etwas dran, zumindest auf den ersten Blick. Zusammen mit dem Straßen- und Flugverkehr sind Rechenzentren einer der wenigen Bereiche, wo die Studie die direkten und indirekten CO2-Emissionen weiter ansteigen sieht. So könnten die für den Strombedarf von Datenzentren verursachten Emissionen bis ins Jahr 2035 auf rund 475 Megatonnen (Mt) klettern. Indes: umgekehrt könnte KI wesentlich dazu beitragen, den Ausstoß von Treibhausgasen zu begrenzen und die Dekarbonisierung der Wirtschaft voranzutreiben.
Die Anwendungen können in verschiedenen Sektoren zum Einsatz gelangen, nicht zuletzt im Bereich der Energieversorgung. Dies führt – immer laut den IEA-Prognosen – unter dem Strich gar zu einem positiven Nettoeffekt. Durch den breiteren Einsatz von KI könnte der globale CO2-Ausstoß bis in zehn Jahren um 1.400 Mt gesenkt werden. Das wäre das dreifache der durch die mit dem Ausbau von Rechenzentren verursachten Zusatzbelastung für das Klima. Auch wenn das IEA-Expertenteam warnt, KI sei keine ‚Silver Bullet‘, um die Klimakrise zu lösen, eröffnet der erwartete Effizienzgewinn durch KI spannende Perspektiven für am nachhaltigen Investmentthema Klima und Dekarbonisierung interessierte Anleger. Folgende Stoßrichtung gibt es dabei zu beachten:
Optimieren mit KI: Die Energieversorgung wird zunehmend digitalisiert, stärker vernetzt und gleichzeitig dezentralisiert. Die Folge davon ist eine höhere Komplexität – was geradezu nach dem Einsatz von KI schreit. So vertreibt der japanische Industriekonzern Hitachi Energy seit 2024 ein KI-basiertes Modell für die Vorhersage der Stromnachfrage, der Stromerzeugung durch erneuerbare Energien sowie von Strompreisen. Das Modell ist gemäß dem Unternehmen um 20% genauer als herkömmliche Modelle. Ebenfalls kann KI das so genannte Load Shifting unterstützen: Das Laden von Elektrofahrzeugen und das Heizen oder Kühlen von Räumen lässt sich damit auf Tageszeiten verlegen, in denen Strom günstig und reichlich vorhanden ist. Gemäß IEA ließe sich damit die Spitzen-Stromnachfrage in Industrieländern um rund 15 Prozent senken.
Innovation dank KI: KI kann eine wichtige Rolle als Katalysator von Forschung und Entwicklung rund um die Nachhaltigkeit einnehmen. Zu denken ist etwa an den Gesundheitssektor mit der Medikamentenentwicklung: 2024 ging der Nobelpreis für Chemie unter anderem an John Jumper und Demis Hassabis für ihr KI-Modell ‚Alpha‘ für die Vorhersagen von Proteinstrukturen. Anwendung findet deren KI-Modell auch in der Materialforschung für neue Batterien. Vor dem Hintergrund, dass die Spanne von der Erfindung bis zur Kommerzialisierung von Lithium-Batterien rund 30 Jahre dauerte, dann könnte sich das Beschleunigungsmoment durch KI als entscheidend erweisen.
Mehr Rechenleistung zugunsten von KI: Nicht zuletzt sorgt der Bau neuer und immer potenterer Datenzentren für KI-Kalkulationen für gewaltigen Investitionsbedarf. Die weltweiten Investitionen in Rechenzentren haben sich laut IEA seit 2022 nahezu verdoppelt und beliefen sich im Jahr 2024 auf 500 Milliarden US-Dollar. Ehrgeizige, von Staaten gestützte Projekte wie ‚Stargate‘ in den USA sorgen dabei für zusätzlichen Schub.