Wirklich gute Ratgeber hatte Patrick Paulduro. Der heute 31 Jahre alte gelernte Zimmermann hat schon vor geraumer Zeit seine Arbeitskraft versichert. Das machen nicht viele junge Handwerker. „Doch ich habe mehrmals erlebt, wie sich Kollegen bei der Arbeit schwer verletzt haben“, sagt Paulduro. Wie gefährlich der Job als Zimmermann ist, wusste auch Paulduros Vater, der den gleichen Beruf erlernt und jahrelang ausgeübt hat. Daher riet er seinem Sohn, unbedingt finanziell für den Fall eines Arbeitskraftverlustes vorzusorgen. Fast zur gleichen Zeit empfahl Paulduro ein Freund, sich in allen Versicherungssachen an den Versicherungsmakler Proma aus Jettingen-Scheppach im schwäbischen Landkreis Günzburg zu wenden. So „geriet“ der junge Handwerker an Christina Häußler, die nicht nur Geschäftsführerin von Proma ist, sondern ehrenamtlich als Vorständin des Bundesverbandes Deutscher Versicherungsmakler (BDVM) aktiv ist.
„Gerade junge Handwerker sind oft gar nicht oder viel zu gering gegen Arbeitskraftverlust abgesichert“, weiß Häußler. Die Experten vom BU-Portal24.de beziffern die Zahl der Erwerbstätigen, die im Fall des Verlustes ihrer Arbeitskraft über keinen ausreichenden Versicherungsschutz verfügen auf rund 75 Prozent – und machen dafür vor allem zwei Gründe verantwortlich: Viele Kunden haben bereits Vorerkrankungen oder betreiben ein risikobehaftetes Hobby, sodass sie eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) nur mit Risikozuschlägen oder Leistungsausschlüssen erhalten können. Wenn überhaupt. Zweitens haben die Assekuranzen für ihre Beitragskalkulation in den letzten Jahren immer mehr Berufsgruppen eingeführt, sodass der BU-Schutz einerseits zwar für Akademiker immer preiswerter, für körperlich Tätige aber immer teurer bis unbezahlbar geworden ist. Doch es gibt eine gute Alternative: Die Grundfähigkeitsversicherung (GF).
Die Produktangebote bieten eine große Vielfalt – angefangen bei der Absicherung des Verlusts von Grundfähigkeiten über die finanziellen Folgen von schweren Krankheiten und Unfällen bis hin zur Pflegebedürftigkeit. Matthias Helberg bleibt dennoch skeptisch: „Die Grundfähigkeitsversicherung ist aus unserer Sicht nicht zur Arbeitskraftabsicherung geeignet: Denn die gesundheitlichen Einschränkungen müssen so stark sein, dass man in der Regel nahe am Pflegefall ist. Menschen können aber oft schon wegen viel geringerer gesundheitlicher Einschränkungen nicht mehr arbeiten.“ Der Osnabrücker Versicherungsmakler weist darauf hin, dass der Versicherungsschutz nur greift, wenn „eine der genau definierten, versicherten menschlichen Grundfähigkeiten dauerhaft verloren gegangen sind“. Helberg sieht die GF daher eher als Alternative zur Pflegeversicherung.
Die GF zahlt, wenn definierte Fähigkeiten, wie Sprechen, Hören, Sehen, Treppensteigen oder Greifen abhandenkommen. Verliert die versicherte Person für mindestens sechs oder zwölf Monate eine der versicherten Fähigkeiten, erhält sie eine Rente – auch wenn sie noch arbeiten kann. Ein sehr positiver Unterschied zur BU. Viele Policen leisten auch ab Pflegegrad II oder III. Das gilt insbesondere für die Tarife „Grundfähigkeit Plus“, die der Rating-Auszug von Franke & Bornberg im Überblick zeigt (siehe Tabelle). Sie bieten zusätzlich Versicherungsschutz bei schweren Krankheiten.
Günstigere Beiträge
Gesundheitliche Schicksalsschläge können aber in der GF im Vergleich zur BU deutlich günstiger abgesichert werden. „Wer eine Berufsunfähigkeitsversicherung nicht bezahlen kann, trifft aber oft gar keine Vorsorge“, stellt Michael Franke, Chef der Ratingagentur Franke & Bornberg ernüchternd fest. Da ist die GF auf jeden Fall besser als gar kein Schutz. Unerlässlich bleibt der Hinweis, dass es in den Basis-Varianten im Gegensatz zur BU keinen Schutz bei psychischen Erkrankungen gibt. Doch mittlerweile werden die Leistungen beim Grundfähigkeitsschutz immer besser, auch durch Zusatzbausteine. Das zeigt die aktuelle Analyse der GF durch die Rating-Agentur Franke & Bornberg. So gibt es immer öfter Grundfähigkeitstarife nach dem Bausteinprinzip. Stein für Stein entsteht dann ein nahezu perfekter Versicherungsschutz, so das Versprechen der Assekuranzen.
Anders als bei Lego-Bausteinen, fehlt es hier an verlässlichen Standardmaßen. „Leistungsbausteine der Grundfähigkeitsversicherung sind oft eine Blackbox. Ähnlich klingende Begriffe können für unterschiedliche Leistungsauslöser stehen“, kritisiert Experte Franke. Das schaffe Intransparenz und im schlimmsten Fall lückenhaften Versicherungsschutz. Zudem verteuere jeder zusätzliche Baustein den Vertrag. Vermittler sollten deshalb nur Tarife empfehlen, die alle relevanten Grundfähigkeiten absichern. Das bewahre sie vor Haftungsrisiken und ihre Kunden im Ernstfall vor nicht ausreichendem Versicherungsschutz.
Zu unserem Musterfall „Paulduro“ erläutert Maklerin Häußler ihre Praxis: „Wir haben intensiv die Alternativen zur Berufsunfähigkeitsversicherung besprochen“. Und der Handwerker hat sich dann für die GF mit einem monatlichen Rentenschutz von 1.500 Euro entschieden. Dafür ist der Aufwand pro Monat mit 89 Euro bezahlbar. Zum einen hat der Handwerker nun einen Schutz, der ungefähr 80 Prozent des Nettoeinkommens entspricht. Zum anderen läuft die Versicherung bis zum möglichen gesetzlichen Rentenstart mit 67 Jahren. Zwei wichtige Anforderungen, die nicht selbstverständlich sind. Eingeschlossen wurden die Zusatzbausteine „geistige Leistungsfähigkeit“, „eigenverantwortliches Handeln“, „Schizophrenie“ und „schwere Depressionen“. Geht eine dieser Fähigkeiten verloren, muss der Versicherer, wie hier die Swiss Life, die vereinbarte Rente zahlen.
In den Augen der Mehrheit der Vermittler hat sich die GF längst als eine vertretbare Alternative gemausert. So rechnen in einer Umfrage rund 57 Prozent für diese Absicherungen in den nächsten ein bis drei Jahren mit „einem besseren“ bis „viel besseren“ Umsatztrend, wie die Studie „AWARD – BU / Arbeitskraftabsicherung 2025“ zeigt. Bei der Online-Stichprobe wurden 336 Versicherungs- und Finanzvermittler befragt. Zudem nimmt die GF im unabhängigen Vermittlermarkt einen immer größeren Stellenwert ein. Fast jeder Zweite ist regelmäßig in diesem Produktsegment unterwegs. Zum Vergleich: Vor neun Jahren waren es erst 30 Prozent.
Der Produktpionier, Canada Life, der vor 25 Jahren die GF auf dem deutschen Markt etablierte, hat jetzt die Definitionen der Grundfähigkeiten weiter vereinfacht und die Annahmerichtlinien verbessert. Die ab sofort verfügbare Berufswechsel-Option mit Günstigerprüfung sorgt dafür, dass Kunden im besten Fall einen günstigeren Tarif bekommen. Zudem gibt es nun die wählbaren Zusatzoptionen PsychePlus und FähigkeitenPlus. Die Option PsychePlus sichert Kunden ab, wenn sie aufgrund psychischer Ursachen nicht mehr als drei Stunden täglich arbeiten können. Durch die Zusatzoption FähigkeitenPlus können Kunden den Verlust zusätzlicher Fähigkeiten absichern. Diese Zusatzfähigkeiten schließen u. a. Fühlen, Schmecken, Greifen oder Halten sowie Bildschirmarbeit ein. Der „Premium- Grundfähigkeitsschutz“ beinhaltet nun auch eine Gutachtenhilfe. Bei einer Anfrage zu einem medizinischen Gutachten im Fall einer Leistungsprüfung unterstützte Canada Life mit bis zu sechs monatlichen Rentenzahlungen, um die Zeit zu überbrücken.
Gleichzeitig ist hinsichtlich eines Urteils des Bundesgerichtshofs (BGH 11.12.2024 -Az IV ZR 498/21) wieder Ruhe in die Vertriebe eingekehrt. Eine Feststellung im Urteil wurde teilweise so verstanden, dass es sich bei einer GF nicht um eine Lebens-, sondern vielmehr um eine Sachversicherung handelt. Und diese Auffassung hätte ungeahnte Folgen, etwa für das Kündigungsrecht des Versicherers. Doch die Anbieter beschwichtigen und stellten schnell klar, dass sie die Grundfähigkeitspolice weiterhin als Lebensversicherung einstufen.
Anlass des Urteils war, dass die AXA Versicherung 2019 tausenden Kunden ihre Verträge zur „Unfall-Kombirente“ gekündigt hatte und der BGH diese Kündigungen für rechtens hält. Dazu erläutert der Versicherungsmakler Guido Lehberg, Spezialist für Arbeitskraftsicherung: „Bei der Unfall-Kombirente der AXA handelt es sich um eine sogenannte Multi-Rentenversicherung. Diese Produkte vereinen, dass sie neben einer Absicherung bei Unfällen auch Versicherungsschutz bei Krankheiten und Pflegebedürftigkeit beinhalten. Und sie leisten auch beim Verlust von bestimmten Fähigkeiten. Ebenfalls haben diese Tarife ein weiteres, sehr wichtiges Merkmal: Risikoträger ist jeweils ein Sachversicherer.“ Bei einer „echten“ Grundfähigkeitsversicherung sei der Risikoträger stets ein Lebensversicherer. Auch sind die Beiträge nach Art der Lebensversicherung kalkuliert und es werden z. B. Deckungsrückstellungen gebildet und in den meisten Fällen gibt es eine Überschussbeteiligung, die aus dem Tarifbeitrag einen Zahlbeitrag macht.
Daher habe das Urteil auf die echten Grundfähigkeitsversicherungen keine Auswirkungen. Lehberg: „Sofern die Risiko- und Gesundheitsfragen beim Abschluss vollständig und wahrheitsgemäß beantwortet werden, kann das Versicherungsunternehmen nicht mehr aus dem Vertrag herauskommen.“ Das haben gegenüber dem Versicherungsmakler bspw. die Baloise, die Bayerische, die Allianz, die Nürnberger, die Hannoversche und die Alte Leipziger bestätigt. Damit bleibt die GF für alle Kunden in Sachen Unkündbarkeit sehr sicher.