Startseite » Nachhaltigkeit » Zukunft der Nachhaltigkeit

Zukunft der Nachhaltigkeit

Juli 2025

Auf die aktuellen Entwicklungen sowie die Chancen mit einer nachhaltigen Geldanlage geht Vincent Latour, Nikko Asset Management, näher ein.

Nikko Asset Management
Vincent Latour, Nikko Asset Management

Das Nachhaltigkeits-Kürzel ESG, einst eine vermeintliche Wunderwaffe, ist zum Sammelbegriff ohne klare Definition geworden. Das Konzept wurde umso mehr fragmentiert, je mehr Branche und Regulierungsbehörden sich an einer Definition versuchten. Vincent Latour, Sustainable Investment Specialist von Nikko Asset Management, hält eine ESG-Renaissance dennoch für möglich, wie er in seinem Kommentar festhält:

Die fehlende klare Bedeutung brachte nicht nur Greenwashing-Skandale und regulatorischen Druck, sondern machten das Konzept leicht angreifbar. Vor allem in den USA wurde dem Akronym ESG vorgeworfen, politische Ziele über die Gewinne und Interessen der Anleger zu stellen.

POLITISCHE LAST

Der Wahlsieg des US-Präsidenten Donald Trump war ein weiterer Rückschlag für ESG. Mit dem Ersetzen des ESG-Labels durch den Begriff „Nachhaltigkeit“ ist das Konzept jedoch nicht am Ende. Stattdessen ist eine natürliche Kurskorrektur im Gange. Alex Edmans, Professor für Finanzwesen an der London Business School und führende Stimme in der Investmentbranche, möchte ESG nicht aufs Podest gehoben, sondern in die Anlageanalyse integriert sehen: „ESG ist sowohl extrem wichtig als auch nichts Besonderes.” Edmans schlägt vor, das Konzept in „Rational Sustainability” umzubenennen, um es von seiner politischen Last zu befreien und irrationalen Nachhaltigkeitsvorstellungen entgegenzuwirken. Sein Vorschlag versucht, die Schwächen von ESG zu beheben, indem er die Bedeutung der finanziellen Wesentlichkeit anerkennt, gleichzeitig aber auch Kompromisse bei der Verfolgung spezifischer Nachhaltigkeitsziele akzeptiert. Dabei kommt es vor allem auf Wesentlichkeit und Treuhänderpflicht an.

Im Kern ist ESG ein Instrument zur Bewertung langfristiger Risiken und Chancen, das diese berücksichtigt, wenn sie relevant sind – also Teil jedes langfristigen Anlageprozesses und damit weder auf ein Podest gestellt noch an den Rand gedrängt. Dass ESG im Widerspruch zur Treuhänderpflicht stehe, ist unserer Ansicht nach grundlegend falsch, da die Prämissen von ESG sicherstellen, dass alle potenziellen Risiken berücksichtigt werden – auch solche, die weniger unmittelbar greifbar sind, wie beispielsweise Klimarisiken.

STRATEGIEN MÜSSEN ERWARTUNGEN ENTSPRECHEN

Letztendlich wird die Nachfrage der Anleger bestimmen, wie es mit ESG und nachhaltigem Investieren weitergeht. Wenn Kunden Wert auf Nachhaltigkeit legen und erwarten, dass ihr Geld mit einem breiteren Blick auf Risiken und Auswirkungen verwaltet wird, sollten Vermögensverwalter darauf reagieren. Das bedeutet nicht, dass man eine übermäßig vorsichtige Haltung einnimmt und ESG auf nichts anderes als Finanzrisikomanagement reduziert. Es bedeutet auch nicht, dass man eine Agenda vorantreibt, die über die Wünsche der Anleger hinausgeht. Der Schlüssel liegt darin, dass die Anlagestrategien den Kundenerwartungen entsprechen.

Einige Assetmanager haben aufgrund ihres Rückzugs aus Net-Zero-Verpflichtungen Mandate verloren. Vermögensverwalter müssen strategische Entscheidungen über ihre ESG-Verpflichtungen treffen. Dies birgt zwar das Risiko, nicht jeden Kunden anzusprechen, bietet aber auch die Chance, mit maßgeschneiderten Dienstleistungen spezifische Kundenerwartungen zu erfüllen. Diese Klarheit und Ausrichtung kann zu stärkeren Kundenbeziehungen und besseren Anlageergebnissen führen.

Die Gegenreaktion gegen ESG ist eine Chance, die Integration von ESG in die Anlageentscheidungen zu verbessern. Indem sich Assetmanager auf die finanzielle Wesentlichkeit und die langfristige Wertschöpfung konzentrieren, kann ESG von politischem Ballast befreit und als wesentlichen Bestandteil der treuhänderischen Pflichten neu definiert werden. Damit bliebe ESG äußerst wichtig, wäre aber nichts Besonderes mehr.